Oh, Griechenland!

Eine Korrespondenz

Oh, Griechenland!
Als wir in Zürich ankamen, hatten wir uns schnell verlaufen. Irgendwann landeten wir in einem Café, konnten dem Ober dort allerdings weder mit Worten noch mit Handzeichen klarmachen, welchen Kuchen wir gerne hätten. Was bedeutete das wohl für das bevorstehende Wochenende? Vor uns lagen drei Tage mit Workshops, Gesprächen und Diskussionen, in denen wir uns für einen geplanten Brand-New-Life-Schwerpunkt fragen wollten, wie wir am liebsten arbeiten würden. Eigentlich sollten wir schon längst die übrige Gruppe treffen, irrten aber wir immer noch im kalten Zürich umher. Als wir schließlich am vereinbarten Ort eintrafen, waren wir froh, dort Hannes zu entdecken – wenigstens ein vertrautes Gesicht. Wir stiegen in den riesigen „Sportbus 2“, der uns nach Bern zu einer Ausstellungseröffnung bringen sollte. Auf der Fahrt wurde kaum geredet (wenigstens wir saßen schweigend auf unseren Plätzen, in der Reihe hinter uns unterhielt man sich angeregt über traditionelle griechische Gerichte). Wir schauten aus dem Fenster, in die vorbeirasende Landschaft. Unterbrochen wurde der Traumzustand nur durch Judith oder Lucie, die hin und wieder die voraussichtliche Ankunftszeit in Bern ansagten. Draußen war es sehr dunkel. Irgendwer hatte Geburtstag. Bei der Ausstellungseröffnung rätselten wir, ob für die Menschen in der Schweiz „Getränke frei“ etwas anderes bedeutet, weil Getränke dort so teuer sind. Während wir dies schreiben, fällt der einen von uns wieder Nicole Wermers Stuhl ein, über dessen Rücklehne eine Pelzjacke gehängt war – greifbare Abwesenheit. Ein wenig später war ihre Arbeit in Hamburg zu sehen, aber erst jetzt erschließt sich der Zusammenhang zwischen den beiden Erinnerungen. Das Abendessen war ausgezeichnet, jemand sprach sehr laut, und nach einigen Gläsern Wein waren wir recht entspannt. Trotzdem waren wir erleichtert, als der Bus gegen elf in Richtung Glarus abfuhr. Dort logierten wir zu zweit in einer Wohnung mit Bergblick. Das Wetter war trüb. Nach dem Arbeitswochenende machten wir mit der ganzen Gruppe eine Tour zu einem der Berge um Glarus. Einige von uns wollten zu Fuß hinaufgehen, allerdings hatte es so stark geschneit, dass wir schließlich ein Taxi riefen und nur die letzten zehn Minuten liefen. Kurz vor dem Mittagessen standen wir oben auf dem Berg, wurden zu Rückenfiguren in wechselnden Formationen. Auf der Zugfahrt nach Zürich und zum Flughafen überlegten wir, wie unser gemeinsamer Text aussehen sollte. Die nächsten zwei Monate würden wir beide durch verschiedene Städte reisen, würden uns eine ganze Weile nicht sehen. Vielleicht wären also Postkarten ganz schön? Der Austausch, den wir alle unbedingt wach halten wollten, ist schon vor einiger Zeit eingeschlafen. Wir hatten sogar überlegt, zusammen nach Griechenland zu fahren. Große Pläne, im Alltag verpufft. Unterschiedliche Prioritäten. Von Nostalgie keine Spur, nur das Leben.