Jüngst musste ich wieder einmal bei einer fernen, der übergeordneten Verwaltung angehörigen Einheit meiner eigenen Institution Gelder beantragen für ein Projekt, das meiner eigenen Untereinheit die Drittmittel bringen sollte, die ihr erst zu arbeiten – in meinem Fall meint dies zu forschen – erlauben. Dafür muss jeweils ein Formular ausgefüllt werden, in dem die buchhalterischen Angaben inklusive den Unterschriften aller Hierarchiestufen mindestens ebenso viele Seiten einnehmen, wie die inhaltlichen Ausführungen. Existentiell angewiesen auf externe Finanzierung sind wir Untereinheiten unterdessen einigermassen geschickt darin, die Dinge, die wir sowieso tun in ein Gewand zu packen, dass den Vorgaben dieser strategischen Geldern maximal zu entsprechen scheint. Gewand ist hier auch darum der genau passende Begriff, weil ich mir nicht selten dabei zuschaue, wie ich für ein und dasselbe Anliegen fast schon abenteuerlich unterschiedliche Rhetoriken der Darstellung entwickle.
Erfreulicherweise funktioniert dieses «Verkleiderlen» recht gut: wir erhalten viele Zusagen. Dabei handelt es sich meist nicht um hohe Summen und auch die Zeitfenster für die Erledigung der Arbeit ist jeweils bloss auf mehrere Monate ausgelegt. Danach wird ein Abschlussbericht und die Abrechnung angemahnt und auch hier gilt: Buchhaltung geht vor Inhalt und in gewisser Weise ist dies auch folgerichtig, sind doch notgedrungen weitgehend fachferne Menschen für die Vergaben der Beträge und die Abwicklung der Projektadministration zuständig. Denn, wie bereits angemerkt, thematisch ausgerichtet und gesprochen werden diese Gelder von übergeordneten Gremien (die ihrerseits nie solche Gelder beantragen müssen, aber dies nur nebenbei), die damit meist strategischen Zielen von übergeordneter Bedeutung zu mehr inhaltlicher Fülle und Relevanz, sowie besserer Sichtbarkeit verhelfen wollen.
Diese Organisationsform verbindet in fataler Weise die Logik des New Public Management mit dem Projektimperativ, den die Soziolog*innen Luc Boltanski und Eve Chiapello als eines der Kernstücke des «neuen Geistes des Kapitalismus» (1999) festgemacht haben. Fatal daran ist die Verstrickung von institutioneller Selbstbehauptung, ihrer ökonomisierten Binnenstruktur und der darin eingelagerten projektbasierten Arbeitsweise. Diese Kombination meint im Alltag folgendes: während diejenigen in Drittmittelabhängigen Positionen sich und ihre Stellen konstant über die Einwerbung neuer Projektmittel beweisen und legitimieren müssen, befassen sich diejenigen, die über Vergabe und rechtmässigen Nutzen der Gelder wachen, mit der Festigung der institutionellen Strukturen, innerhalb derer die Verwirtschaftlichung abzulaufen hat. Dass diese verwaltenden Stellen weit eher ausgebaut werden als die Projektgebundenen ist in dieser Logik genauso offensichtlich wie fatal und kann als Standessicherung bezeichnet werden. In der Konsequenz wird inhaltliche Arbeit prekarisiert, während die Verwaltung, Administration und auch Kommunikation dieser in immer feiner ziselierte Zuständigkeitsbereiche aufgedröselt wird, die in immer neuen Handbüchern, Pflichtenheften, Organigrammen oder auch Weisungen niedergeschrieben werden. Diese scheintransparenten Dokumente verfügen über eine erstaunlich institutionelle Macht, auch weil sie Grundlage von Evaluationen sind, mit denen die Effizienz der Projekte – quasi im Zirkelschluss – gemessen wird. Der Umfang der Auswertung ist minimal, die Inhalte spielen – das erstaunt unterdessen kaum mehr – keine Rolle. Von primärem Interesse sind daraus hervorgegangene Drittmittel, dass der zur Verfügung gestellte Kleinstbetrag nicht annähernd die Aufwände zu decken vermag, die für eine erfolgreiche Einwerbung grosser Drittmittelprojekte von Nöten sind, kommt dabei nicht zur Sprache, weil alles was die buchhalterische Abwicklung dieser Gelder übersteigt, in anderen Organisationseinheiten abgelagert ist.
Das Formulieren der übergeordneten Strategien, innerhalb derer dieses umtriebige «Projekteln» und Verwalten eingebettet ist, übernehmen die solide und verhältnismässig üppig finanzierten, obersten Kader, die sich dabei nicht selten auf Prognosen externer Trendforscher*innen beziehen, die sie in sicherer Distanz zu ihrem Selbstverständnis mal beiziehen oder aber auch ignorieren können. Mit Stabsstellen, zudienenden Assistenzen und weiterem, auf die strategischen Zielen ausgerichtetem Fachpersonal schaffen sie sich ein Netz von Personen, die ihnen in Abhängigkeit verpflichtet sind.
In dieser strukturellen Konstellation – drittmittelabhängige Projektarbeit auf der einen und solide institutionell abgesicherter Verwaltung und Leitung auf der anderen Seite – entsteht eine fatale Dynamik von Hierarchisierung und Wertungen von Arbeitsbereichen und -kulturen, die aus Inhalten ein volatiles Nice-to-have machen und aus Verwaltung und Administration eine konsolidierte und selbstbewusste Organisationseinheit, die sich auch gerade darum als stark und wissend inszeniert, weil sie die agile Intelligenz der Projektverantwortlichen als Ausdruck einer individuellen Selbstverwirklichung und nicht als Teil einer institutionellen Verantwortung erachtet. Mit Erstaunen und auch einer gewissen Hilflosigkeit beobachte ich diese – ja leider eher sich verdeutlichende – Entwicklung und merke, dass ich mir immer erst dann darüber Gedanken machen kann, wenn ich gerade wieder einmal genügend Drittmittel eingeworben habe.