Seit 2015 sind Fachhochschulen in der Schweiz den Universitäten über das Hochschulförderungs- und koordinationsgesetz rechtlich gleichgestellt. Der im Zuge dieser Gleichstellung lancierte Slogan «gleichwertig, aber andersartig» deutet darauf hin, dass dem Verhältnis jedoch eine Differenz zugrunde gelegt wird, mit der die Aufgaben der unterschiedlichen Hochschultypen in Abgrenzung zueinander geklärt werden sollen.[1] In dieser Konstellation ist die ganze Problematik kondensiert, mit der sich die Fachhochschulen seit ihrer gesetzlichen, aber kaum faktisch umgesetzten Gleichstellung herumschlagen und die sie aktuell zu Juniorpartnern der Universitäten macht – ein Umstand, der insbesondere in der Forschung substanzielle Folgen hat.
Motivation für diese sehr grundlegende Reform der Bildungslandschaft in der Schweiz war eine ganze Reihe von Entwicklungen, zu denen der 1999 formal lancierte Bologna-Prozess zur Schaffung eines «Europas des Wissens»[2]genauso gehörte wie der Versuch, durch die Stärkung der praxisorientierten Ausbildungen sowohl deren Attraktivität als auch deren Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, respektive zu erhöhen.
Kennzeichen von Hochschulen ist die Verbindung der Lehre und Forschung, und so folgte bereits auf die geplante Umwandlung der anwendungsorientierten Ausbildungsstätten zu Fachhochschulen eine Reihe von Initiativen, mithilfe derer das Forschen ebendort entwickelt und etabliert werden sollte. Dazu zählte etwa im Bereich der Forschungsförderung die Lancierung des sogenannten DORE (Do Research)-Instrumentes seitens des Schweizerischen Nationalfonds, mit dem praxisorientierte Forschung an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen über ein eigenes, partiell den spezifischen Anforderungen angepasstes Gefäss unterstützt werden sollte. Zusätzlich vergab der Bund Gelder etwa zum Aufbau von Forschungsabteilungen oder dem Kompetenzaufbau einzelner Personen in den Fachhochschulen.
Diese Förderung zeitigte einen beachtlichen Erfolg, die Anerkennung blieb aber dennoch auf halber Strecke stecken: So verfügen zwar unterdessen sämtliche Kunst- und Designhochschulen über eigenständige Forschungsabteilungen, weisen Drittmittelallokationen in zwar schwankendem, aber durchschnittlich beachtlichem Ausmass aus und verfügen über personelle Ressourcen, die das doppelte Kompetenzprofil – Befähigungen in Lehre und Forschung – solide und relevant erfüllen. Zugleich wird aber der spezifischen Situation von Forschung an den Fachhochschulen, etwa mit Blick auf die kaum je linearen Berufsbiographien, nur zögerlich Rechnung getragen, und die Erteilung des Promotionsrechts scheint auch heute noch in weiter Ferne. Das hat zur Konsequenz, dass der forschende Nachwuchs nicht von hauseigenen fachspezifischen Expert:innen ausgebildet und begutachtet wird, wie dies an den Universitäten gang und gäbe ist. Versuche, diese Ungleichbehandlung aufzuheben, wurden und werden immer noch mit teils abenteuerlichen Begründungen zurückgewiesen: Die Angst vor einer Akademisierung der Praxisausbildungen wird genauso geäussert wie ein grundlegendes Unverständnis für einen möglichen Qualitätsgewinn, den anwendungsorientiertes Forschen durch die Doktoratsausbildung haben könnte.[3] Und so erstaunt es wenig, dass die 2013 von der Ständerätin Brigitte Häberli-Koller eingereichte Interpellation Eigenständiges Doktorat an den Schweizer Fachhochschulen mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass das Promotionsrecht nicht aus dem rechtlichen Auftrag zur Forschung abzuleiten sei und die in diesem Bereich erfolgreich durchgeführten Kooperationen mit in- und ausländischen Hochschulen auf der Aufgabenteilung zwischen den Hochschultypen basieren und diese bestätigen würden.[4]
Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht inkonsistent und insbesondere für Kunst- und Designhochschulen fatal. Inkonsistent daran und einzig als forschungspolitische Schutzbehauptung zur Verteidigung der anerkannten Pfründe nachvollziehbar ist bereits der Grundsatz: Die rechtlich zur Forschung verpflichteten Fachhochschulen sollen die Ausbildung ihres Nachwuchses denjenigen überlassen, die gemäss demselben Recht aber eigentlich genau einen grundlegend anderen Auftrag haben. Die dabei behauptete und zur typologischen Maxime erhobene Differenz ist in sich aber eigentlich schon längst hinfällig – so sie denn überhaupt irgendwann stimmig war: Zahlreiche universitäre Ausbildungen sind per se praxisorientiert (etwa Medizin), während andere in den letzten Jahren sich vermehrt auf eine berufliche Praxis ausgerichtete Studienprogramme, im Bereich der Kunst etwa zum Ausstellungs- und Museumswesen oder dem Kunstmarkt, zugelegt haben. Die mit dieser Differenzbehauptung verbundene Gefahr hat der Bildungsforscher Urs Kiener als Teil eines Identitätsdiskurses charakterisiert, in dem «sich die Profilierungsdiskussion im unfruchtbaren politischen Spiel verliert, die eine Seite gegen die andere auszuspielen und einander dabei schlechtzumachen»[5].
Und genau an dem Punkt ist die Argumentation für die Kunst- und Designhochschulen fatal. Die vor allem von den Verfechter:innen der Differenz gelobten Kooperationen, innerhalb derer PhDs an Fachhochschulen bis dato durchgeführt werden, bedeuten für die Studierenden allerdings in jedem Fall einen teilweise beachtlichen Zusatzaufwand: So müssen entweder an der erstbetreuenden ausländischen Gastinstitution Kursangebote belegt werden oder an inländischen Universitäten schier halbe Masterausbildungen nachgeholt werden, damit die Qualifikation der praxisorientierten PhD-Kandidat:innen den dort geltenden Vorgaben entspricht. Dass sie kaum je über eine Mittelbaustelle verfügen, die als Qualifikationsstelle das Dissertieren vorsieht und mindestens in Ansätzen auch finanziert, wird dabei kaum Thema, was die meist zeitlich befristeten PhD-Programme zusätzlich zu einem mehrjährigen Sprint – ein Marathon ist ein PhD alleweil – verkommen lässt. Für die zweitbetreuenden Fachhochschulen wiederum meint diese Konstellation, dass die Credits für die Dissertationen ihnen auch dann nicht zugestanden werden, wenn sie dennoch einen Grossteil der Betreuung übernommen haben, was meist dann der Fall ist, wenn das PhD im Rahmen eines vom SNF geförderten Projektes ebenjener Fachhochschule stattfindet. Die Wirtschaft spricht in solchen Situationen gerne mal von «Braindrain», der Abwanderung von Talent und aufgebautem Wissen, was im vorliegenden Kontext irritierenderweise politisch gewollt scheint.
Eine Praxisorientierung in der Forschung ist also nur in Ansätzen anerkannt – der Schweizerische Nationalfonds etwa hat in den letzten Jahren verdienstvollerweise einiges unternommen, um den spezifischen Anliegen von Fachhochschulen in der Förderpraxis Rechnung zu tragen. Der anhaltende Legitimationsdruck auf die Gemeinschaft praxisbasierter Forschenden ist aber angesichts des Erreichten befremdlich, auch weil es nicht einfach zu verorten ist, von wem er wo genau aufgebaut wird. Dass er besteht, zeigt ex negativo die 2019 vom Schweizerischen Wissenschaftsrat verantwortete Studie Réflexions sur la différenciation des hautes écoles: le cas du lien au monde professionnel. Darin kommen die Verfasser:innen zum Schluss, dass die postulierte Differenzierung der Hochschultypen sich bereits seit geraumer Zeit annähert, in ihren Arbeitsweisen und ihrer gesellschaftlichen Anbindung aber entscheidende Unterschiede festzumachen sind, eine definitorische Festlegung jedoch weder produktiv noch «wünschenswert» ist. Urs Kiener erachtet diese auf zwei scheinbar grundlegend unterschiedlichen Profilen basierenden Systeme gar als Ausdruck desjenigen Wettbewerbs, dem in den letzten Jahren alle Hochschulen verschärft ausgeliefert sind. Anstelle einer Abgrenzung über eine inhaltlich kaum konsistent zu argumentierende Identität sei eher über Komplementarität, Netzwerke, Kooperationen und geteilte Märkte nachzudenken, schlägt Kiener dagegen vor.
Kieners Votum für eine andere Forschungspolitik lässt sich auch auf das fachliche Selbstverständnis übertragen. Denn bildeten bis anhin die Universitäten die Referenz, vor der sich Forschung an Fachhochschulen zu beweisen hatte, mag das auf den ersten Blick verständlich scheinen. Auf den zweiten ist diese Argumentation jedoch ähnlich logisch, wie dass die Emanzipation der Frauen sich an einer patriarchalen Weltordnung zu orientieren hat. Die durch praxisorientierte Forschung eingebrachten Perspektiven sollten als Erweiterung des Forschungskanons betrachtet werden, was in einzelnen Disziplinen, etwa der (Sozial-)Anthropologie, bereits gemacht wird und wo Vertreter:innen wie z. B. Tim Ingold die Qualitäten einer künstlerischen Haltung als wichtige Qualität für einen zeitgemässen Forschungsethos bezeichnen.[6] Die politisch motivierte Argumentation konkurrierender Hochschultypen ist hoffnungslos veraltet, es gibt genug zu forschen für alle.
[1] Mit dieser Wendung wird in Artikel 3 des Bundesgesetzes über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im Schweizerischen Hochschulbereich eines der neun Ziele beschrieben, die sich der Bund gibt. Einsehbar unter: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2014/691/de.
[2] Zitiert nach der Darstellung des Bologna-Prozesses auf der Website des Bundes: https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/hs/hochschulen/bologna-prozess.html.
[3] Exemplarisch argumentiert finden sich diese Vorbehalte in der kurzen Stellungnahme von Christoph Eymann, Nationalrat LDU, in der vom SNF moderierten Kolumne, die zwei kontrastierende Meinungen zur Frage, ob Fachhochschulen das Promotionsrecht haben sollen, jeweils zu Wort kommen lässt: https://www.horizonte-magazin.ch/2017/09/29/sollen-fachhochschulen-doktorate-vergeben-duerfen/.
[5] Urs Kiener, «Gleichwertig, aber andersartig. Die untaugliche Antwort auf den Profilierungszwang der Schweizer Fachhochschulen», in: Schweizer Monat, 1. Februar 2017, einsehbar unter: https://schweizermonat.ch/gleichwertig-aber-andersartig/.
[6] Tim Ingold, «Anthropology Between Art and Science. An Essay on the Meaning of Research», in: Field Journal, Issue 11, 2018. https://field-journal.com/issue-11/anthropology-between-art-and-science-an-essay-on-the-meaning-of-research.