Wir luden drei Personen ein, die in öffentlichen und privaten Museen und Ausstellungsorten unterschiedlicher Grösse und Art tätig waren, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie sie mit diesem Druck, den steigenden Anforderungen und den Vorwürfen des zunehmenden Non-Engagements, also der Entsolidarisierung von einst mit Institutionen verbundenen Verpflichtungen, umgehen. So eben besonders die zunehmend intransparenten, kurzfristigen und flexibilisierten Anstellungsmodalitäten, bei gleichzeitiger Einpassung in öffentlichkeitswirksame Auftritte, die der institutionellen Positionierung zu dienen haben. In unserer Einladung formulierten wir ein spezifisches Interesse an – wie wir sagten – Mikropolitiken. Wir wollten nach Tugenden von Institutionen im 21. Jahrhundert fragen. Können sie trotz allem grosszügig sein? Oder solidarisch beziehungsweise, angesichts ihrer strukturellen Verfestigung, wenigstens verlässlich? Wir wollten uns austauschen über die Macht, die die eingeladenen Personen – alle waren in leitenden Positionen – womöglich immer noch hatten und ob sie diese strategisch einzusetzen vermochten. Und schliesslich brachten wir die Verantwortung aufs Tapet und die Frage danach, ob Kunstinstitutionen und damit auch ihre Akteur*innen solche hätten und, wenn ja, gegenüber wem in welchem Mass.
Wir hatten uns für diese Diskussion viel vorgenommen. Aber es ist zu vermuten, dass nicht dies der Grund dafür war, dass wir so gut wie nichts erfahren haben. Zumindest nicht im Gespräch selbst: Die drei Gäste haben zwar geredet, ihre Antworten schienen aber in irritierender Weise abgekoppelt von unseren Fragen und ernüchternd unverfänglich. Während die einen sich in ausufernden Darstellungen der Problematiken des internationalen Kunstbetriebes verloren, hangelten andere sich von einer saloppen Bemerkung zur nächsten, und Dritte hielten sich bedeckt und schilderten bloss gelegentlich die eine oder andere vollkommen harmlose Anekdote über den institutionellen Alltag. Für die Runde war das fatal und führte geradewegs in eine zwischen Trägheit und verzweifelten Belebungsversuchen oszillierende Diskussion. Als politische Diagnose war dieses Gespräch deprimierend. Es fand sich kein Weg, mit persönlichen Erfahrungen untermauert auf die aktuell drängenden Fragen des institutionellen Agierens zu reagieren. Die diversen Ausweichmanöver haben ziemlich sicher auch herzlich wenig mit den einzelnen Individuen zu tun, als wahrscheinlich mehr mit der im Titel der Veranstaltung «Engagiert euch, ihr Institutionen!» gefassten Aufforderung unsererseits, die die Beziehung zwischen Institution und Individuum offen lässt. Engagement in Institutionen nimmt denn auch verschiedene Formen an. Es richtet sich auf aber auch gegen sie. Gleichzeitig kommt einem in einer öffentlichen Gesprächsrunde, die die eigene institutionelle Einbindung offen legt, eine repräsentative Funktion zu, unabhängig von der Beziehung, die man zur jeweiligen Institution hat. Die Entscheidungen, welche institutionellen Bemühungen in die Öffentlichkeit getragen werden und welche besser verschwiegen werden, sind dabei oftmals strategisch. Möglicherweise scheiterte das Gespräch an genau dieser Schwierigkeit. Es ist nicht so, dass es Engagement innerhalb von Institutionen nicht gibt, unsicher ist jedoch, ob dies auch mitgeteilt werden will, gerade angesichts der verschärften institutionellen Bedingungen, die wir an sich bestens kennen.
Der Umstand aber bleibt bemerkenswert, dass sich darüber nicht reden lässt, oder nicht einfach so reden lässt oder zumindest nicht in einem auf Repräsentation ausgerichteten Kontext, wie es eine öffentliche Diskussionsrunde ist. Die allermeisten Menschen sind in ihrem beruflichen Alltag in institutionelle Strukturen eingebunden und damit der Frage ausgesetzt, wie sie ihren Handlungsspielraum darin konzipieren. Das Lamentieren über die einschränkenden oder gar entmündigenden Mechanismen, die einem durch die rahmenden Gerüste übergestülpt würden, ist fast schon ein Volkssport. Dieser seinerseits ist bereits seit einigen Jahrzehnten in bester theoretischer Gesellschaft: Institutionskritische Debatten werden insbesondere in der Kunst seit längerer Zeit intensiv geführt und haben sich paradoxerweise sowohl als künstlerische Strategie wie auch als Diskursfeld etabliert. So bleibt zu fragen, warum sich trotz dieses umfassenden thematischen Felds in unserer Diskussion niemand richtig exponieren wollte. Ist es ein Zeichen von fehlendem politischen Bewusstsein, der Mutlosigkeit geschuldet, Ausdruck von Gleichgültigkeit oder Hoffnungslosigkeit? Ist das Thema uninteressant, zu wenig geeignet für die eigene Profilierung, oder fehlt die nötige Reflexion, um just zwischen Lamentieren und Theoretisieren einen gangbaren Weg im Alltag zu gestalten, zu beschreiben und auch zu vertreten?
Alle Erklärungen sind ärgerlich. Und die unzufriedenstellende Diskussionsrunde war uns Anlass, diese Kolumne zu starten. Sie sucht und versammelt offene Worte über aktuelles Handeln in Institutionen, nötigenfalls auch anonym. Wir wollen über Schlupflöcher innerhalb verwalterischer Kontrolle berichten, über strukturelle Irrläufe, über selbstbestimmte Strategien der Besetzung von Infrastruktur, über schwere Entscheidungen, über gute und schlechte Gründe für heimliche und unheimliche Allianzen oder auch über Rechtfertigungsstrategien angesichts eingegangener Kompromisse. Kurz: über individuelle Erfahrungen und Taktiken im Umgang mit strukturellen Rahmungen unterschiedlicher Ordnung.