Im Januar 2018 wird die Direktionsstelle einer renommierten Schweizer Ausstellungsinstitution neu besetzt – das Haus wird künftig von einer vergleichsweise jungen Frau geleitet. Der Führungswechsel war auch der Neuen Zürcher Zeitung eine Notiz wert: Neben dem zwischen den Zeilen aufscheinenden Zweifel an den Kompetenzen der designierten Direktorin vermag die Zeitung lediglich deren ‹Leidenschaft› für kuratorische Arbeit zu erwähnen – der berufliche Leistungsausweis wird derweil ausgeklammert. Was als Randnotiz in einem durch und durch kompetitiven Berufsfeld erscheinen mag, verweist auf einige systemimmanente Symptome, die die Konnotation von kuratorischer oder auch vermittelnder Arbeit in der Kunstwelt kennzeichnen. Umgetrieben von diesen Dingen will ich – als ebenda auch arbeitende Frau und aus einer feministischen Perspektive – einige Überlegungen formulieren.
Das Feld der Kunst hat sich seit den 1960er Jahren stark verändert. Die Erweiterung der kunstinteressierten Publika ging einher mit einer Vervielfachung der feldbestimmenden Strukturen. Kunstmessen oder Biennalen, Kunsthallen oder Galerien funktionieren als dichtes Netz der Präsentation und Distribution von zeitgenössischer Kunst, derweil die Kunstförderung Künstlerinnen und Künstler mit Atelier- oder Reisestipendien in die Welt entsendet. Die Kunstschaffenden müssen mehr und mehr als kluge, taktierende UnternehmerInnen ihrer selbst agieren und auf ihr autonomes und kreatives Schaffen pochen, um in einem mehr und mehr umkämpften Feld, in dem Aufmerksamkeit ein rares Gut ist, erfolgreich zu bestehen. Zugleich findet eine Ausdehnung des Kunstbegriffes statt. Die tradierten künstlerischen Ausdrucksweisen wie Malerei oder Bildhauerei haben seit den 1960er Jahren Konkurrenz durch neue Formen oder Medien erhalten. Die gesamtgesellschaftlichen Eruptionen der damaligen Zeit wirken auch in der Kunstwelt nach. Die Ausdehnung des Kunstbegriffes wird gerade von Künstlerinnen vorangetrieben, die sich mit der Aneignung neuer Ausdrucksmittel wie Fotografie oder Video oder neuen Ausdrucksformen wie Performances eigene, den geschlechtsspezifischen Einschreibungen entzogene Räume erobern. In den 1960er Jahren etabliert sich der Kurator oder die Kuratorin als zentrale Deutungsinstanz im Kunstfeld, der oder die mit subjektivem Gestus das immer beliebter werdende Format der thematischen Gruppenausstellung bedient und für sich einen Anspruch auf Kreativität und Autorschaft erhebt. Obschon in diesem Gefüge Kunsthistorikerinnen oder Kunsttheoretikerinnen wie Linda Nochlin oder Lucy R. Lippard eine dezidiert feministische kuratorische Arbeit propagieren und dabei beispielsweise gegen die systembedingte Unsichtbarkeit von Künstlerinnen ankämpfen, ist insbesondere die überaus einflussreiche Figur des freien Kurators, der projektbezogen als Initiator für Institutionen und Biennalen arbeitet, eindeutig männlich. Die Fotografie des bärtigen Harald Szeemanns, der am letzten Tag der documenta V in Kassel auf (s)einem Thron sitzt ist Signum hierfür. In den bedeutenden Seilschaften von Szeemann sind kaum Kuratorinnen auszumachen (Künstlerinnen im Übrigen auch nicht).
Die Situation der Gegenwart ist eine andere. Einzelne Frauen agieren als Kuratorinnen prestigeträchtiger Grossanlässe oder stehen international renommierten Ausstellungshäusern vor. In den seit einigen Jahren an Kunsthochschulen und Universitäten florierenden Curating-Studiengängen bilden die Studentinnen die Mehrheit. Auch die vielerorts von der kuratorischen Arbeit entkoppelte Kunstvermittlung ist fest in der Hand von Frauen. Dennoch dürfen diese Dinge nicht über die Realitäten der Geschlechterverteilung gerade im kuratorischen Bereich des künstlerischen Feldes hinwegtäuschen. Die Kuratorin an der Spitze einer internationalen Ausstellungsinstitution bleibt eine Ausnahmeerscheinung, die Figur des Starkurators – gegenwärtig noch immer idealtypisch verkörpert durch den nie schlafenden und immer reisenden Hans Ulrich Obrist – bleibt männlich. Die im Kunstfeld seit jeher tradierte Koppelung von Männlichkeit und Künstlerschaft, die geschlechtsspezifische Konnotation von Begriffen wie Genie, Kreativität oder Schöpfertum und die noch immer mächtigen, von Männern dominierten Seilschaften sind persistent. Derweil fristen die Kuratorinnen ihr Dasein oft in lokalen Kunstvereinen oder beschliessen ihre Karrieren auf den mittleren Hierarchiestufen von Museen, während die Kunstvermittlung – trotz Professionalisierung und wissenschaftlicher Beforschung – im Schatten des Kurators und fest in Frauenhand ein marginales Dasein fristet, dem kaum öffentliche Euphorie entgegengebracht wird.
Just in diesem Gefüge fallen nun die gesellschaftlichen Zuschreibungen an diese, von Frauen verrichtete, kuratorische oder vermittelnde Arbeit auf, die sich in einer subtilen Infragestellung ihrer Professionalität einerseits und in einer irgendwie an Emotionen und Leidenschaften gekoppelte Arbeitshaltung andererseits manifestiert, wobei diese beiden Aspekte offensichtlich zueinander in Beziehung stehen. Die mir gegenüber immer mal wieder gemachte Aussage, ich hätte mein ‹Hobby› zum Beruf gemacht – von der ich zu behaupten wage, dass sie gegenüber einer Juristin oder einem Banker nicht geäussert würde –, kann als Hinweis auf die gängige Bewertung von Arbeit im Kunstfeld herangezogen werden. So deutet die Verknüpfung kuratorischer, kunstvermittelnder oder ähnlicher Arbeit mit einer vergnüglichen Freizeitbeschäftigung nicht nur auf eine als Amateurin oder Laie betriebene Tätigkeit hin, bei der Expertinnenwissen und eine entsprechende Ausbildung nicht zwingend sind, sondern bringt auch eine von Emotionen geleitete Motivation ins Spiel. Die Arbeit der ‹leidenschaftlichen› Kuratorin – also jener Figur, die auch zwischen den Zeilen der eingangs erwähnten NZZ-Meldung herumgeistert – geschieht aus einer emotional bedingten Dringlichkeit heraus. Entsprechend unwichtig sind ausgewiesene Expertise oder Lohn. Dabei sind diese Tätigkeiten im mehrfachen Sinne ‹weiblich›. Sie werden, insbesondere in den weniger prestigeträchtigen Positionen, mehrheitlich von Frauen ausgeübt und sind in ihrer Verbindung zu einem emotionalen Impetus auch mit den Frauen gerne zugeschriebenen Attributen aufgeladen. Weiter ist es Arbeit, die nicht selten unter prekären Bedingungen – beispielsweise im Rahmen befristeter Arbeitsverträge oder bei Unterbezahlung – ausgeübt wird und die damit jenen Beschäftigungsformen und Beschäftigungsbedingungen entspricht, denen Frauen ungleich mehr ausgesetzt sind.
Mit diesen erst thesenhaften Überlegungen kann an eine Debatte angeschlossen werden, die bezüglich der sogenannten Care-Arbeit insbesondere aus feministischer Perspektive heraus geführt wird. Was auf den ersten Blick arg weit entfernt scheinen mag, ist beim genaueren Hinsehen erstaunlich nah. Care-Arbeit umfasst bezahlte und unbezahlte Familien-, Betreuungs- und Hausarbeit, die sowohl im häuslichen Bereich als auch in öffentlichen oder privatwirtschaftlichen Institutionen als Dienstleistung erbracht wird. Sie ist dabei insofern auch ‹emotionale Arbeit›, als dass sie weiter beispielsweise die Pflege von familiären Beziehungen oder die Planung nicht nur von Geburtstagen sondern auch von Ehe oder Fruchtbarkeit umfasst. Diese unbezahlte familiäre Hausarbeit im Nukleus der Kleinfamilie festigt sich insbesondere im ‹Wirtschaftswunder› der Nachkriegszeit als «Herz des Kapitals» (Barbara Duden) und rückt in den 1970er Jahren in den Fokus feministischer Diskussionen. Die gegenwärtige feministische Debatte ist umgetrieben davon, dass die Haus- und Betreuungsarbeit noch immer grösstenteils von Frauen verrichtet wird – obschon deren Erwerbsquote in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist – und dass, mitunter daran gekoppelt, bezahlte Care-Arbeit oft unter prekären Umständen von Migrantinnen geleistet wird. Dabei basiert sowohl die entlohnte als auch die nicht-entlohnte Care-Arbeit auf einer geschlechtshierarchischen und rollenstereotypen Arbeitsteilung. Diese funktioniert im Rückgriff auf biologistische Erklärungsversuche und schreibt den Frauen eine soziale Veranlagung ein, die bei der tradierten und unbezahlten Hausarbeit noch mit einem gehörigen Schuss hingabebereiter Liebe angereichert wird. Nun ist die kuratorische Arbeit der Care-Arbeit nicht nur in etymologischer Hinsicht verwandt – in beiden Bezeichnungen steckt der lateinische Begriff des ‹curare›, also des Sorgens und Pflegens – , sondern auch bezüglich der ihr eingeschriebenen Bedeutungen und Wertigkeiten. Die sorgenden und pflegenden Tätigkeiten haften der kuratorischen Arbeit auch jenseits der sprachlichen Ebene an, hat sich die Kuratorin doch nicht nur um eine mitunter in ihrer Verantwortung stehende Sammlung zu kümmern, sondern ebenso um die Künstlerinnen und Künstler. Sie muss als Gastgeberin agieren, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen AkteurInnen – KünstlerInnen, KunstvermittlerInnen, TechnikerInnen – organisieren und koordinieren, in Spannungs- oder Stresssituationen vermitteln und dabei Ansprüche und Vorstellungen von KünstlerInnen und Ausstellungsinstitutionen ausbalancieren und erfüllen. Während sie also in diesen gemeinhin als ‹weiblich› konnotierten Tätigkeiten leidenschaftliche Erfüllung zu finden hat, ist es an ihrem männlichen Berufskollegen, die genialen Ideen zu entwerfen. Die insbesondere hinsichtlich der Hausarbeit noch immer präsente Meinung, dass bezahlte familiäre Care-Arbeit eine Art «Pervertierung der Liebe» (Angelika Krebs) darstellen würde, geistert auch durch die Kunstwelt. Die Arbeit der Kuratorin, sei es in den Institutionen oder im Kontext der selbstorganisierten Off-Szene, würde aus einem emotionsbedingten Zwang heraus geleistet und resultiere, gleich einer aus Liebe verrichteten Tätigkeit, in seliger Erfüllung und Zufriedenheit – ein Zustand, der selbstverständlich nicht mit Geld aufgewogen werden kann (muss). Sowohl die Kuratorin als auch die Care-Arbeiterin arbeiten also beide in einem Feld, in dem überdurchschnittlich viele Frauen tätig sind, wo Teilzeitpensen verbreitet sind, wo der Wille, Dinge anzupacken und umzusetzen. gerne mit vermeintlich den Frauen eigener emotionaler Dringlichkeit argumentiert wird und wo – in der Konsequenz dieser beiden Tatsachen – das Lohnniveau vergleichsweise tief ist.
Nun – was tun? Wie können wir solchen irreführenden, ja fatalen Zuschreibungen an unsere Arbeit begegnen? Wir müssen uns darüber austauschen, darüber sprechen und ja, auch darüber schreiben. Wir müssen sensibel sein gegenüber geschlechterspezifischen Rollenbildern und uns wehren gegen unrichtige Wertigkeitszuschreibungen oder emotionale Aufladung unserer Arbeit. Wir müssen auf unsere Erfahrung, auf unser professionelles Können und auf unser Expertinnenwissen pochen. Wir müssen mehr denn je Gleichberechtigung einfordern und gerade in diesem kompetitiven Umfeld Netzwerke bilden. Wir müssen über Strategien des Widerspruchs, auch des Protests nachdenken, sei es in offizieller, institutionalisierter oder in subversiver, aufrührerischer Form. Und dabei schreiben, denken und arbeiten wir weiter. Auf geht’s!
Literatur
Gioia Dal Molin, «Die Kuratorin», in: Personal der Postmoderne. Inventur einer Epoche, hrsg. von Alban Frei und Hannes Mangold, Bielefeld: transcript, 2015, S. 185–198.
Barbara Duden, «Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit. Ein Rückblick», in: Olympe, Feministische Arbeitshefte zur Politik, 30, 2009, S. 16–26.
Angelika Krebs, Arbeit und Liebe. Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2002.
Frigga Haugg, «Feminisierung der Arbeit », in: Historisch-kritisches Wörterbuch des Feminismus, hrsg. vom Institut für kritische Theorie, Bd. 1, Hamburg 2003, Sp. 128–142.
Mascha Madörin, «Verschiedene Varianten, das Ganze zu denken – eine Einleitung», in: Olympe, Feministische Arbeitshefte zur Politik, 30, 2009, S. 8–13.
Sarah Schillinger, «Who cares? Care-Arbeit im neoliberalen Geschlechterregime», in: Widerspruch, 56, 2009, S. 93–106.