Ein neues Betriebskonzept

Die Shedhalle Zürich ist im Moment in einer Übergangsphase. Das interimistische Kuratorium versucht mit partizipativen Anordnungen, Gesprächsrunden und Umordnungen, die Institution neu zu denken und für die Zukunft zu entwerfen. Anfang der 1990er Jahre kam es schon einmal zu einer grundlegenden Neuorientierung. In einem ebenfalls partizipativ angelegten Prozess entwickelte der damalige Shedhalle-Vorstand ein neues Betriebskonzept. Dieses Konzept war der Anfang der dann 1994 einsetzenden, dezidiert gesellschaftspolitischen Ausrichtung.
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Ende August 1993 lief der Arbeitsvertrag von Harm Lux, der damalige Kurator der Shedhalle Zürich, aus. In vier Jahren hat er in enger Zusammenarbeit mit der administrativen Leiterin Barbara Mosca die Shedhalle zu einem professionellen, international beachteten Ausstellungsbetrieb gemacht. Gezeigt wurden insbesondere junge, aufkommende Künstler*innen, und dies zumeist in Form von Einzelausstellungen (oftmals mit einem begleitenden Katalog). Die Stadt Zürich anerkannte zwar die Leistung des kuratorischen Teams Harm Lux und Barbara Mosca, kritisierte aber gleichzeitig, dass sich die Shedhalle aufgrund der zunehmend internationalen Ausrichtung von der lokalen Kunstszene entfernt habe. Auch der damalige Vorstand vom Verein der Shedhalle wollte etwas ändern und nahm den bevorstehenden Leitungswechsel zum Anlass, die institutionelle Ausrichtung zu überdenken. Der damalige Vorstand bestand aus dem freien Kurator Christoph Doswald, Edu Haubensak (Künstlerverein Trakt B der Roten Fabrik), dem Leiter Kultur der Stadt Zürich Jean-Pierre Hoby, der Kunstkritikerin Edith Krebs, Ann Nelson (Künstlerverein Trakt B aus Roten Fabrik), der Kunstkritikerin Brita Polzer und Teres Wydler (Künstlerverein Trakt B aus Roten Fabrik). Das neue Betriebskonzept sollte fürs kommende Kuratorium eine Richtung festlegen und einige betriebsinterne Abläufe und Verantwortlichkeiten neu definieren. Erste Überlegungen zu diesen Neuerungen wurden im provisorischen Konzept 92 zusammengefasst.

 Konzept 92 Seite 7Konzept 92 Seite 9Konzept 92 Seite 8Shedhalle: Konzept 92, August 1991, unterzeichnet vom Vorstand der Shedhalle, © Privatarchiv Brita Polzer

Zentral bereits in diesem ersten Entwurf war die Forderung nach einer stärker thematischen Arbeitsweise. Auch sollten angrenzende Wissensgebiete einbezogen und über die Kunst hinausreichende Fragen behandelt werden. Eine solch themenorientierte Ausrichtung war im damaligen Ausstellungsbetrieb unüblich. Das Format Einzelausstellung dominierte. Eine kuratorische Handschrift und bekannte Namen standen im Vordergrund.

Brief Umfrage Konzept 92 Seite 5Brief Umfrage Konzept 92 Seite 6Brief und Fragebogen zum Konzept 92, September 1991, © Privatarchiv Brita Polzer

Im September 1991 wurde dieser erste Konzeptentwurf mit einigen Fragen an Vertreter*innen des damaligen Schweizer Kunstbetriebs (und einige Personen aus Deutschland und Österreich) geschickt mit der Bitte, dazu Stellung zu nehmen, Ergänzungen anzufügen und Kritik zu äussern. Die anschliessend vom Vorstand zusammengestellte Auswertung zeigt eine grösstenteils positive Resonanz auf die geplante Neuausrichtung.

Auswertung Umfrage Konzept 92 Seite 7Auswertung Umfrage Konzept 92 Seite 6Auswertung Umfrage Konzept 92 Seite 5Auswertung Umfrage Konzept 92 Seite 8Auswertung der Antworten auf den Fragebogen zum Konzept 92, September 1991, © Privatarchiv Brita Polzer

1992 trat der Grossteil vom Vorstand zurück. Die neuen Vorstandsmitglieder hatten den Auftrag, ausgehend von den geleisteten Vorarbeiten – Konzeptentwurf, Rückmeldungen auf die Umfrage und Ergänzungen von Seiten der Mitglieder –, das neue Betriebskonzept weiter zu konkretisieren und auf dieser Grundlage anschliessend eine neue kuratorische Leitung zu suchen.[1] Der neue Shedhalle-Vorstand bestand aus Claudia Anderle Schedle, dem Architekt Daniel Bickel und den Künstler*innen Alfred Hofstetter, Peter Spillmann, Gerda Tobler (Künstlerverein Trakt B aus Roten Fabrik), Beat Zoderer und Christina Della Giustina; nur Jean-Pierre Hoby von Stadt Zürich und die Kunstkritikerin Brita Polzer verblieben. Konzept 94 hiess die Endversion des neuen Betriebskonzept, das 1994 in Kraft trat. Im Vergleich zum ersten Entwurf werden im Konzept 94 die einzelnen Teilbereiche weiter ausformuliert und gewisse konzeptionelle Dinge direkter benannt. Auch kommt das Foyer als bauliche Neuerung hinzu: Dieser architektonische Eingriff war zum einen eine infrastrukturelle Erweiterung, doch repäsentierte das als Produktions- und Informationswerkstatt verstandene Foyer auch die neue Ausrichtung.

PA 1125 C 1 16 2PA 1125 C 1 16 3PA 1125 C 1 16 4PA 1125 C 1 16 5PA 1125 C 1 16 6Konzept 94, 1993, Nachlass Jakob Tschopp, © Staatsarchiv Basel-Stadt, PA 1125 C 1-16

Auf Grundlage vom Konzept 94 wurde dann 1993 eine Geschäftsleitung bestimmt und ein neues Kuratorium gewählt. Die Geschäftsleitung übernahm Bruno Egger, der nach einem Jahr von der Künstlerin Ursula Biemann abgelöst wurde. Das kuratorische Team bestand zu jeweils 40 Prozent aus Renate Lorenz aus Düsseldorf, Sylvia Kafehsy aus Wien und Stefan Banz aus Luzern, der sich allerdings nach kurzer Zeit zurückzog.[2] Sylvia Kafehsy und Renate Lorenz nahmen 1994 ihre Arbeit auf und legten mit Projekten zur Drogenpolitik (8 Wochen Klausur), zu Zensur in Kunst und Kultur (Censorship) und zu Bio- und Gentechnologie (Game Girl) eine Vorlage für die dezidiert gesellschaftskritische Ausrichtung in den folgenden Jahren.

Vielen Dank für die Unterstützung bei der Recherche an Miriam Haltiner, Edith Krebs, Brita Polzer und Peter Spillmann.

 

[1] Siehe dazu Jahresbericht Verein Shedhalle 1.1.–31.12.1992, hrsg. von Verein der Shedhalle, Zürich: SPEFA Druck AG, 1992/93, S. 64
[2] Siehe dazu Jahresbericht Verein Shedhalle 1.1.–31.12.1993, hrsg. von Verein der Shedhalle, Zürich: SPEFA, 1993, S. 55-57.