Zusammenhänge herstellen

Peter Spillmann war in den 1990er Jahren im Vorstand der Shedhalle Zürich. Er hat das neue Betriebskonzept Konzept 94 mitverfasst und die anschliessende Politisierung der kuratorisch-künstlerischen Praxis in der Shedhalle aktiv unterstützt. Wir trafen uns im Restaurant des Hotel Greulich in Zürich. Dort sprachen über die institutionelle Neuausrichtung der Shedhalle 1994, wie die anschliessenden Ausstellungsprojekte von der Zürcher Kunstszene aufgenommen wurden und inwiefern eine solche kritische Praxis heute noch relevant ist.
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Zensur WOZ Anzeige4Anonym, United As Once, 1994, künstlerische Intervention in WOZ Die Wochenzeitung, erschienen im Rahmen von der Ausstellung Censorship. Zensur in Kunst und Kultur heute, Antwort auf die Werbekampagne United Colors of... von Benetton, Foto: Archiv Shedhalle

Pablo Müller: Unter der kuratorischen Leitung von Harm Lux und Barbara Mosca (1988-1993) wurde die Shedhalle Zürich zu einem international beachteten Ausstellungsraum. Trotz dieser Erfolge forderten Anfang der 1990er Jahre verschiedene Seiten eine institutionelle Neuausrichtung der Shedhalle. Warum?

Peter Spillmann: Dieser Wunsch kam vor allem von der Stadt Zürich. Sie wollte nicht auf Dauer zwei Kunsthallen finanzieren. Denn die damals erst seit einigen Jahren bestehende Kunsthalle und die Shedhalle bekamen ungefähr dieselben städtischen Subventionen. Dazu kam, dass unter Harm Lux und Barbara Mosca die Shedhalle auch vom Profil her immer mehr zu einer Art Kunsthalle wurde. Vorwiegend in Einzelausstellungen wurden dort in relativ konventioneller Weise international aufkommende Jungkünstler*innen präsentiert. Zur Kritik an der institutionellen Ausrichtung kam – von Seiten der Stadt, aber auch von den Künstler*innen aus Zürich und besonders der Roten Fabrik – der Vorwurf hinzu, das Programm habe nichts mehr mit Zürich zu tun. Die Zürcher und Schweizer Kunstszene sollte wieder stärker vertreten sein.

PM: Was kritisierte der damalige Vorstand der Shedhalle am Programm von Harm Lux und Barbara Mosca?

PS: Wir fanden die Rollen- und Arbeitsverteilung im Team ziemlich bedenklich. Harm Lux schien uns zu sehr in die Rolle eines Starkurators gerutscht zu sein, während Barbara Mosca, die Frau im Team, die gesamte Arbeit machte. Er stand im Rampenlicht, und sie hat die Finanzierung sichergestellt, Kontakte gepflegt, die Künstler*innen eingeladen und die Flüge gebucht. Weiter hatten wir – vor allem meine Vorstandskollegen, der Künstler Alfred Hofstetter, der Architekt Daniel Bickel, und ich – auch ein anderes Kunstverständnis. Wir plädierten dafür, über den Kunstbereich hinaus zu gehen. Auch wollten wir neue Medien berücksichtigt haben. Solche Ansätze waren unter Harm Lux und Barbara Mosca in der Shedhalle nicht anzutreffen.

PM: Die Entschiedenheit, mit der nach 1994 in der Shedhalle eine Politisierung von Kunst umgesetzt wurde, war aussergewöhnlich und bildet im Schweizer Kontext eine Ausnahme. Woher kam bei euch überhaupt der Wunsch nach einer solchen Veränderung?

PS: Ich habe an der Schule für Kunst und Design F+ F in Zürich studiert. Dort wurde damals ein offener Kunstbegriff vertreten. Malerei und Bildhauerei galten als obsolet, wenn überhaupt, nutzten wir Computer, machten Performance oder Installation. Das ist meine persönliche Kunst-Sozialisation, und viele Personen meiner Generation, mit denen ich damals in Kontakt stand, hatten ähnliche Vorstellungen. Auch waren wir, mit den neuen Wilden und den Malerfürsten der 1980er Jahre im Nacken, mit einem ganz üblen Kunst-Kunst-Backlash konfrontiert. Mir persönlich war zudem der zeitgenössische Kunstbetrieb immer schon irgendwie suspekt. Dazu gehörten auch die Galerien und grösseren Institutionen, die den Eindruck vermittelten, dass es am Schluss letztlich darauf hinausläuft, berühmt zu werden und die Kunst zu verkaufen. Vermutlich gibt es sowas wie eine Grundmotivation, warum man überhaupt auf die Idee kommt, Kunst zu studieren; bei mir hatte das viel mit dem Bedürfnis nach Gesellschaftsveränderung, Selbstermächtigung und Szenenbildung zu tun. Wir wollten Fragen stellen, Probleme aufzeigen und Leute bewegen.

Konzept 94

PM: Als ich bei meiner Recherche vom Konzept 94 erfuhr, dachte ich an eine Art kunstpolitisches Manifest. Beim Lesen war ich dann überrascht, wie brav das Ganze daherkommt. Die Formulierungen sind offen und klingen zum Teil nach Worthülsen, wie «weniger personenzentriert» und «mehr überraschende Projekte». Der dann erfolgte Bruch im kuratorischen Ansatz und im Programm scheint mir aus dem Konzept 94 alleine nicht zwingend.

PS: Das Konzept 94 hätte nie explizit politisch sein können. Im Vorstand gab es viele Stimmen, die radikalere Anliegen nicht unterstützten. Am Ende spiegelt das Konzept den damaligen, kleinsten gemeinsamen Nenner. Dennoch war die Forderung, das Programm solle nicht mehr personenzentriert sein, ziemlich politisch. Damals hatten viele keine Vorstellung davon, wie ein Kunstraum sonst noch interessant sein kann, ausser durch einen profilierten Kurator, der vielversprechende Künstler*innen auswählt und zeigt. Die neue Regelung, dass das Kuratorium zukünftig aus drei Personen bestehen soll und ihre Anstellungsdauer auf drei Jahre begrenzt ist, war entsprechend umstritten. Das abtretende Kuratorium nutzte jede Gelegenheit, um klar zu machen, wie unprofessionell der neue Vorstand sei und wie sehr es bedauere, dass ein so erfolgreiches Programm nun in den Sand gesetzt werde.

PM: Im Konzept 94 wird vorgeschlagen, neben dem Eingang einen Bereich – genannt Foyer – einzurichten, in dem Veranstaltungen stattfinden, Künstler*innen ihre Dossiers auslegen können und diverses Equipment, unter anderem ein Faxgerät, Telefon und ein Computer, zur freien Nutzung bereitsteht. An diesem Vorschlag wird anschaulich, in welche Richtung das neue Betriebskonzept zielte: in Zukunft sollten Produktion, Information und Vermittlung stärker miteinander verknüpft werden.

PS: Das Foyer wurde in den späten 1990er Jahren von vielen als Videoschnittplatz genutzt. Dort gab es eine der ersten Video-Karten, mit der man am Mac VHS-Signal einlesen, digital bearbeiten und wieder ausspielen konnte. Justin Hoffmann, der selber Musiker war, hat den Foyerbereich dann später mit Soundinfrastruktur erweitert. Das Do-It-Yourself-Prinzip und dass diese Produktionsmittel unentgeltlich zur Verfügung standen, war für uns zentral. Für eine gewisse Zeit hat das ziemlich gut funktioniert, und für einige wurde das Foyer tatsächlich zu ihrem Atelier. In gewisser Weise war das Foyer also auch als Dienstleistung an die lokalen Künstler*innen gedacht. Es ging hier um einen Austausch von Informationen und Vermittlung, und die Produktionsmittel standen allen Interessierten zur Verfügung.

Renate Lorenz und Sylvia Kafehsy

PM: 1993 habt ihr auf Grundlage des neuen Betriebskonzepts mit Sylvia Kafehsy, Renate Lorenz und Stefan Banz eine kuratorische Leitung gewählt. Stefan Banz hat das Kuratorium dann nach kurzer Zeit bereits wieder verlassen. War damit euer Anspruch nach mehr Teamarbeit bereits am Anfang gescheitert?

PS: Wir hatten die Vorstellung, durch gezielte Zusammenstellung des Teams eine möglichst produktive Ausgangslage zu schaffen. Die von den Personen eingebrachten Standpunkte sollten im Team austariert werden. Doch dann ist Stefan Banz gleich zu Beginn wieder abgesprungen. Und auch diese Zweier-Konstellation funktionierte dann etwas anders als erwartet. Es kam weniger zu Kollaborationen und mehr zu einem durchaus produktiven, aber zum Teil auch konkurrierenden Nebeneinander-Produzieren. Nach zwei Jahren kam dann Marion von Osten dazu. Erst dann erst war das Dreierteam, das wir uns ursprünglich vorgestellt hatten, komplett.

GG Frau Medizinbild2GG Leute am Lesen2GG Ausstellungsdisplay3Ausstellung Game Girl, 1994, Shedhalle Zürich, Foto: Archiv Shedhalle

PM: Welche Projekte von Sylvia Kafehsy und Renate Lorenz sind dir auch heute noch in bleibender Erinnerung?

PS: In der Ausstellung Game Girl, welche Renate Lorenz 1994 gemacht hatte, kritisierte sie dezidiert die Annahmen, dass Bio- und Gentechnologie oder generell Hightech-Lösungen progressive Kräfte sind, wie das zu jener Zeit zum Beispiel im Kontext der Medienkunst, etwa an der Ars Electronica in Linz, oftmals behauptet wurde. Game Girl war sehr aufwändig: in der Mitte des Raumes gab es ein riesiges kreisförmiges Informationsdisplay und viel recherchiertes Material aus Printmedien, TV und Werbung. Dieses Material war mit der Absicht zusammengetragen worden, die öffentlich kursierenden Bilder von Technologie in Frage zu stellen. Und anstelle von Einzelkünstler*innen waren aktivistische Gruppen, zum Beispiel antigena aus Zürich, und Künstler*innenkollektive wie Botschaft e.V. aus Berlin eingeladen. Sylvia Kafehsy antwortete auf Game Girl mit dem Projekt Censorship. Zensur in Kunst und Kultur heute. Dabei ging es nicht die Zensur, die man von totalitären Regimen kannte, sondern um subtilere Formen der Ausgrenzung oder Einflussnahme. In der Ausstellung gab es Sendungen von Paper Tiger TV zu sehen, wo Rollenzuschreibungen in Soaps kritisch kommentiert wurden. Aber es waren auch Bilder vom Künstler Josef Felix Müller zu sehen, die wegen ihrer expliziten sexuellen Motive während mehreren Jahren unter gerichtlicher Verwahrung standen. Die Ausstellung wirkte mit den vielen Fotos, Bildern, Videos im Vergleich zu Game Girl insgesamt konventioneller. Aber auch hier musste man erst einiges lesen, um die Zusammenhänge und Beispiele zu begreifen.

Kulturkampf

PM: Wie hat die Zürcher Kunstszene auf diese dezidiert gesellschaftspolitisch angelegten Ausstellungsprojekte reagiert?

PS: Viele fanden es schockierend, dass es nicht mehr in erster Linie um Kunst ging, sondern eher um Themen und Diskurse. Dadurch entstanden ganz neue Netzwerke, die über die reine Kunstszene hinausgingen. Begegnungen und der Austausch wurden wichtiger. In der Shedhalle waren die Ausstellungen plötzlich sehr diskurslastig, und neben den Ausstellungen gab es Veranstaltungen in Form von Kongressen und Treffen. Dies war für viele wohl ungewohnt - vor allem für Leute, die nicht wussten, dass es eine solche Praxis in der Kunst überhaupt gab, und dass diese Praxis damals ähnlich auch in Köln, Berlin und anderswo auftauchte und später als ‹Repolitisierung› der Kunst in die Geschichte einging. Viele konnten oder wollten nicht sehen, was daran Kunst oder eine künstlerische Strategie sein soll.

Zensur AusstellungAusstellung Censorship. Zensur in Kunst und Kultur heute, 1994, Shedhalle Zürich, Foto: Archiv Shedhalle

PM: Auch im Kunstkonglomerat in Zürich West, dem Löwenbräu-Areal, gab es zu jener Zeit eine Hinwendung zum Sozialen und zu partizipativen, künstlerischen Ansätzen, also zumindest im Migros Museum für Gegenwartskunst. Zum Beispiel hat Rirkrit Tiravanija in Das soziale Kapital (1998) für die Besucher*innen gekocht und das Migros Museum in einen Supermarkt umfunktioniert. Kam von dieser Seite nicht auch Wohlwollen gegenüber den neuen Ansätzen in der Shedhalle?

PS: Das Interesse war in jedem Fall da. Die Ausstellungen wurden gegenseitig besucht, wenn auch mit einer gewissen Skepsis. Etwas, was die 1990er Jahre sicher auszeichnete, war die Einigkeit darüber, dass man sich dezidierter positionieren musste. Die Shedhalle und Löwenbräu-Areal waren dabei eher polare Positionen. Nach einer gewissen Zeit entfachte eine Art Kulturkampf, wo sich die beiden Lager gegenseitig kritisierten und voneinander distanzierten. Aus unserer Sicht ging es im Löwenbräu-Areal lediglich symbolisch ums Soziale, nie als eine politische Frage: eine Party ohne Inhalt. Während es auf Seiten der Shedhalle die Vorstellung gab, gesellschaftliche Setzungen zu analysieren und zu demontieren. Die dort gezeigten Projekte wollten aktiv Neoliberalismuskritik betreiben, feministische Gesellschaftskritik und Technologiekritik einbringen. Solche Diskussionen fanden im Löwenbräu nicht statt. Dort stand immer die Kunst, also ich meine eher eine ästhetisch symbolische Seite von Kunst im Vordergrund.

Zensur Plakat4 Ausstellungsankündigung zu Censorship. Zensur in Kunst und Kultur heute, 1994, Shedhalle Zürich, Foto: Archiv Shedhalle

PM: Und wie hat die Stadt Zürich auf die Entwicklung in der Shedhalle reagiert? Wurde das zum Beispiel Thema im Stadtrat?

PS: Auf der institutionellen politischen Ebene wurde die Shedhalle meines Wissens nie zum Thema, jedenfalls nicht aus inhaltlichen Gründen. Vielleicht auch, weil beispielsweise mit dem Projekt 8 Wochen Klausur (1994) plötzlich klar wurde, was der gesellschaftliche Mehrwert solcher Ansätze sein könnte. Ziel dieses Projektes war es, die verschiedenen, in der damaligen Zürcher Drogenproblematik involvierten Akteure in einen Austausch zu bringen. Durch dieses Projekt wurden ein über die Institution Shedhalle und eine rein symbolische Funktion von Kunst hinausgehender Prozess angeregt. Von Seiten der Politik gab es dazu viel positives Feedback. Auch kann ich mich erinnern, dass Jean-Pierre Hoby, der damalige Kulturverantwortliche der Stadt Zürich, von einem Treffen irgendwelcher Kulturreferenten aus dem Ausland zurückkam und erzählte, dass er erstaunt war, als die Shedhalle dort als Best-Practice-Beispiel diskutiert wurde. Dass sie nämlich eine Institution sei, die mit wenig finanziellem Aufwand eine sehr grosse Wirkung erziele und einen hohen Innovationsgrad aufweise. Von diesem Moment an war für die Stadt alles in Ordnung. Für uns hingegen war die Argumentation dagegen sehr beunruhigend, weil sie die damals noch neue neoliberale Logik einer verschlankten und optimierten Institution zum Ausdruck brachte.

Kritische Kunstpraxis heute

PM: Eine zentrale Frage ist für mich, wie sich längerfristig eine kritische Praxis finanzieren lässt. Damit einher geht die Frage, was für Gelder man bereit ist zu akzeptieren, oder eben aus politischen Gründen grundsätzlich abzulehnen. Wir von Brand-New-Life versuchen solche Verstrickungen immer wieder zu thematisieren. Gleichzeitig nehmen wir problematische Gelder an (zum Beispiel wurden wir vom Kanton Zug unterstützt und profitieren damit direkt von Konzernen wie Glencore oder Shell).

PS: Wir hätten zum Beispiel niemals Geld von Nestlé genommen, weil diese Gelder auf eine Art und Weise zustande kamen, die diametral dem entgegengesetzt ist, für was wir uns engagierten. Um ehrlich zu sein: Es wurde uns aber auch nie angeboten. Umgekehrt sahen wir auch staatliche Förderung skeptisch und vermuteten Formen der Einflussnahme.
Um zu sehen, wie gross der Spielraum der auch von euch verfolgten Strategie tatsächlich ist, könnte man sich vielleicht auch nochmals die Projekte von Andrea Fraser und die Geschichte der Generali Foundation ansehen. Sie hat ja - finanziert von der EA-Generali Foundation - ein Projekt realisiert, das die Strukturen der Stiftung kritisch analysierte und zur Darstellung brachte. Die Arbeit wurde zuerst von der Institution umarmt und hat wesentlich zum kritischen Image der Sammlung beigetragen. Dann bereitete die Fusion mit der konservativen Ersten Bank dem progressiven Programm von Sabine Breitwieser und der Sammlung der Generali Foundation ein plötzliches Ende. Diese Geschichte zeigt, dass diese künstlerische Kritik eigentlich nicht funktioniert. Also die Hoffnung, dass das Kapital auch in die eigene Kritik investiert, wird nur solange nicht enttäuscht, wie Formen der kritischen Reflektion auch in die Strategie eines Konzerns passen. Im Falle eines Richtungswechsels kann dies von heute auf morgen rückgängig und unsichtbar gemacht werden.
Am besten scheint mir, man schafft sich Richtlinien und formuliert diese auch schriftlich aus. Auch in der Wirtschaft sind solche Wertecodices durchaus üblich. Die Fragen sind immer wieder dieselben: Woher stammt Kapital, wurden Arbeitskräfte oder natürliche Ressourcen ausgebeutet, setzt die Konzernpolitik Staaten unter Druck, werden angemessene Steuern bezahlt, werden allgemein Anliegen der Gemeinschaft, Menschenrechte, Tierrechte, Pflanzenrechte respektiert, geht es um nachhaltige, langfristige Zukunftsperspektiven sichernde Innovationen? Bei diesen Kriterien würde zumindest Glencore in jeder Hinsicht durchfallen, andererseits sind es immerhin Steuergelder und nicht direkte Beiträge.

PM: Wo werden heute die Ansätze und Strategien, die in den 1990er Jahren unter anderem in der Shedhalle ausprobiert wurden, weitergeführt und weiterentwickelt?

PS: Zum Beispiel in den Mikro-Organisationen, wo künstlerische Strategien in vielfältigen Kollaborationen mit ganz unterschiedlichen Akteuren aufgehen und sich Kompetenzen mischen. In der Regel geht es dabei um sehr spezifische gesellschaftliche Fragen, auch um selbstorganisierte Lösungen für Zustände, in denen die Zivilgesellschaft versagt. Es geht beispielsweise um radikal ökologische Modelle, neue Ökonomien oder neue Formen der Wissensproduktion und der Bildung, nicht mehr nur im Sinne einer kritischen Analyse und Gegendarstellung, sondern real, als Umsetzung. Das ist ein grosser Schritt. Symptomatisch dafür ist, dass eine Gruppe wie Ruangrupa die Leitung der nächsten Documenta zugesprochen bekommt. Das heisst, auch der Mainstream kann nicht darüber hinwegsehen, dass in diesem erweiterten Feld kultureller Produktion, abseits vom Kunstmarkt und vom etablierten Ausstellungsbetrieb, sich immer neue Wirkungsbereiche auftun und Arbeitsweisen entstehen, wo auch die Rolle von Kunst in der Gesellschaft neu definiert wird.