«We are simply stuck together, like a bad group exhibition.»
Vom vielkommentierten Jetset, der sich an der Eröffnung durch die Pavillons drängte, ist nichts mehr zu spüren. Die Gardini sind jetzt von Schweizer Familien bevölkert. Sie picknicken im Park. An den Rändern von Pamela Rosenkranz’ «Pool» (Simulation) bilden sich allmählich grüne, algenähnliche Rückstände. Manche Länderpavillons in der Innenstadt schliessen am Abend früher. Saâdane Afifs Speakers Corner suchen wir vergeblich.
Nicht zu übersehen ist dagegen die blaue Holztafel unter den Bäumen der Giardini. In grossen Lettern lesen wir «e-flux journal Nr. 65». Ein nachlässig angeklebtes und von der Witterung teilweise zerfressenes Plakat trägt den Titel «Supercommunity September 4th, Closing Editorial». Das e-flux journal steuerte der Biennale, verstanden als künstlerischen Beitrag, insgesamt 88 Artikel bei. Seit der Eröffnung wurde täglich ein neuer Text auf diese Tafel plakatiert und gleichzeitig als Newsletter verschickt. Die Frequenz, mit der uns diese Artikel erreichten, war so hoch, dass von den Supercommunity-Texten nur noch ein vermengter Brei illustrer Namen in Erinnerung bleibt. Diese Überproduktion ist Programm, dem auch das Closing Editorial Rechnung trägt: «Supercommunity is now finished. You won’t get any more texts delivered to your mailbox. We survived. You survived. Looking back, there is just one question lingering: What is the supercommunity?» An diese einleitenden Worte schliessen scheinbar beliebige Zitate aus den 88 Artikeln an. Zwar phasenweise poetisch, ergibt der Text keinen eigentlichen Sinn – ausser vielleicht, dass es keine Rolle spielt, was diese 88 Texte einmal sagen wollten. Auch wir fragen uns: Was ist die Supercommunity? Eine zufällige Anhäufung von Daten, Sinnüberschuss, ein Zuviel-von-allem, oder einfach ein schönes Kunstwort? Eine Passage ist noch deutlich lesbar: «The supercommunity does not propose a new form of togetherness. (...) It knows things will not be better when we come together».
Gleich hinter der Tafel, die wir etwas ratlos zurücklassen, ist im zentralen Pavillon die Ausstellung Allthe World’s Futures zu sehen. Die Kunst liegt einem beim Betreten des Gebäudes wortwörtlich in den Ohren. Dicht gereiht erwarten uns gleich mehrere Videoarbeiten, in engen Black Boxes, verschachtelten Räumen und Treppenaufgängen. Laute und feine Stimmen legen sich wie ein Teppich über die Ausstellung. Scheinbar stumm bewegt hier die Protagonistin in Fatou Kandé Senghors zartem Film Giving Birth ihre Lippen zu Christian Boltanski L’Homme qui tousse. Die Arbeiten kleben aneinander, sie sind durch die offenbar gewollte Dichte miteinander verbunden. Ob sie sich mögen oder nicht. Ein vielstimmiges Gemurmel. Zu leise und zu laut, dass einzelne Stimmen auszumachen wären. Und dann fragen wir uns plötzlich, ob hier gerade der Sound der Supercommunity zu hören ist.
Ein Ausschnitt aus dem Soundtrack der 56. Venedig Biennale:
Naeem Mohaiemen, Last Man in Dhaka Central (The Young Man Was, Part 3), 2015 / Christian Boltanski, L’Homme qui tousse, 1969 / Fatou Kandé Senghor, Giving Birth, 2015 / Robert Smithson, Video related to Dead Tree, 1969/2015 / Joana Hadjithomas & Khalil Joreige, Je veux voir, 2008 (Arena Film Program)