People / Do / Work / No Money

Was die anderen sagen

Kurz vor der Eröffnung der Manifesta 11 veröffentlichten wir auf Brand-New-Life einen vom Pseudonym Regina Pfister verfassten Artikel zu Arbeitsbedingungen und Lohnpolitik der in Zürich gastierenden Wanderbiennale. Regina Pfisters Kritik blieb nicht allein. In diversen Zeitschriften, Zeitungen, auf Blogs und auch in unserem Emaileingang häuften sich die Kommentare zu Kunst, Arbeit, Geld und zur Manifesta. Eine Sammlung dieser Stimmen haben wir hier zusammengetragen.
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Einige Antworten

Ellinor Landmann vom Radio DRS 2 sprach die angestossene Diskussion zu den Arbeitsbedingungen auf der Pressekonferenz zum Manifesta-Auftakt an. Die Antwort vom Podium war erneut eine Schlagzeile wert. So schreibt Anne Katrin Fessler in Der Standard:

Neben den Moneyfesta-Noten flatterte auch Regina Pfisters Text durch die offizielle Manifesta-Eröffnungsfeier an der Universität Zürich. Uns Unbekannte haben den Artikel zum Flugblatt gemacht und auf der Feier ausgelegt.

2 Flyer Uni

Während sich die Zürcher Stadtpräsidentin Corinne Mauch auf der Pressekonferenz jeder Stellungnahme zum Thema enthielt, hatten sich die Pressestellen von Stadt und Manifesta bereits auf einen klangvollen Wortlaut geeinigt, den unter anderen die WOZ zitiert:

3 WOZ

 

Einige Zahlen

«I was not involved in all the hiring-firing-process here», stellte Christian Jankowski seinerseits auf der besagten Pressekonferenz klar. Dennoch wollte er die Kritik, ein monatlicher Bruttolohn von 3700 Franken für die vollbeschäftigten Manifesta-Mitarbeiter/innen sei zu niedrig, mildern. Deshalb erklärte er, das entspreche etwa seinem Professorengehalt an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste.

Nur: Zürich ist nicht Stuttgart; und 3700 CHF brutto gelten in Zürich – wo ein Döner Kebab umgerechnet 8 Euro, eine Dreizimmerwohnung 2300–2800 Euro (kalt) und die Krankenkassenprämie rund 350 Euro im Monat kosten – nicht ganz ohne Grund als prekär.

Sarah Alberti vom Freitag hat noch ein paar Zahlen mehr:

4 Freitag

Der Tsüri-Blog hat gründlich recherchiert und wundert sich über einer ganze Reihe von Merkwürdigkeiten: Zunächst ging durch den Mailverteiler der Zürcher Hochschule der Künste  ein Aufruf, kostenlose Schlafplätze für Manifesta-Helfer/innen zu organisieren – wofür zwei Ein-Tages-Tickets als Belohnung geboten wurden. Schon attraktiver sah das Angebot aus, die Scheisse für Mike Bouchets Werk für einen Tagessatz von 150 bis 200 Euro zu schaufeln; jedoch:

5 tsueri

Und weiter:

6 tsueri

Dass die Manifesta nicht budgetieren könne, ist ihr allerdings kaum vorzuwerfen. Im Gegenteil, in der Vergangenheit hat sie sich durchaus als geschäftstüchtig erwiesen. Gerade das hat auch den Zürcher Stadtrat überzeugt, wie in dessen Protokoll vom 30. Januar 2016 auf Seite 8 zu lesen ist:

7 Stadtrat

Die von der Manifesta veranstaltete Rückschau Reflections – 10 Perspektiven zu 75 Tagen Manifesta 11 konnte inmitten eines Hagels von Kritik zumindest ein Fragezeichen ausräumen, berichtet die Limmattaler Zeitung:

7a Limmattaler Zeitung

 

Die Arbeit des Künstler-Kurators

Was Christian Jankowski als Künstler-Kopf und Kurator der Biennale angeht, so scheiden sich die Geister. Die Zeitschrift Kunstforum International widmet dem Phänomen Künstler-Kurator kurzerhand eine ganze Ausgabe. Eindeutig voller Lob ist Kolja Reichert in der  Frankfurter Allgemeine:

8 FAZ

Anders sieht es Jörg Scheller in der Zeit:

9 Zeit

 

Zusammenarbeit als Wert

Unterschiedlich bewertet wurden auch die von Jankowski initiierten Joint Ventures, also die Kollaborationen zwischen Künstler/innen und Personen aus anderen Berufsfeldern (die ihre Fachkenntnisse und ihre Zeit wiederum unentgeltlich zur Verfügung stellten).

Till Brieglebs Urteil in der Süddeutschen Zeitung fällt insgesamt negativ aus:

10 Sueddeutsche

Der Künstler Mike Bouchet, der mit dem Klärwerk zusammenarbeitete, äussert sich im Interview mit Monopol hingegen begeistert:

11 Bouchet

Daniela Janser von der WOZ hat sich die Dokumentationsvideos der Joint Ventures angesehen und stellt die Auswahl der Kollaborationspartner/innen infrage (trotz des Klärwerks):

12 WOZ

Wenig versöhnt mit künstlerischen Klärschlamm-Arbeiten schrieb uns ausserdem ein Techniker, der an Aufbauarbeiten der Manifesta beteiligt war und anonym bleiben möchte:

13 Techniker

 

Arbeitswelt Kunstbetrieb

An der diesjährigen Diplomfeier der Zürcher Hochschule der Künste montierten Studierende ein Banner an der Hausfassade und verteilten vor dem Haupteingang Flugblätter. Stein des Anstosses war die zunehmend marklogische Rhetorik, mit der die Hochschulleitung laufende Umstrukturierungen unterlegt und rechtfertigt. Das Flugblatt verweist unter anderem  auf Regina Pfisters Artikel und thematisiert den strukturellen Rückhalt von Arbeitsbedingungen, wie sie auch (aber nicht nur) auf der Manifesta vorherrschen:

14 Flyer ZHdK

Als Reaktion auf Regina Pfisters Artikel erhielten wir etliche persönliche Mails, die ihrerseits von Erfahrungen im Kunstbetrieb berichteten. Eine ausgebildete Kunsthistorikerin erzählte uns beispielsweise von ihrem unterbezahlten Volontariat an einer namhaften Schweizer Kunstinstitution. Sie resümiert, sie sei

15 Voluntaerin

Auch Sarah Alberti vom Freitag vermisst eine gewisse Konsequenz:

16 Freitag

Die Historikerin Brigitta Bernet zeigt sich auf der Onlineplattform Geschichte der Gegenwart irritiert über Jankowskis Künstlerbild (– nämlich eben jenem, das Luc Boltanski und Éve Chiapello zufolge den gegenwärtigen Geist des Kapitalismus befeuert):

17 Geschichte d G

Wie reibungslos die neoliberale Vereinnahmung alternativer Kreativität funktioniert, zeigte sich auch dort, wo der Verein Zitrone Gratis-Schlafplätze für weniger zahlungskräftige Zürich-Besucher/innen organisiert – und die Manifesta dies im Rahmen ihres Parallel-Programms als «Happening» vermarktet, während einige Manifesta-Volunteers selbst auf solche Gratis-Unterkünfte angewiesen sind.

18 Zitrone

Auf dem Kunst-Blog des Zürcher Tages-Anzeiger hat Ewa Hess noch einen weiteren Vorschlag, den die Manifesta – wäre sie so richtig neoliberal gewieft – eigentlich hätte aufnehmen müssen.

19 Ewa Hess

 

Anonyme Kritik

Wichtiger als das Fragen nach Kunst und Bezahlung findet Hess jedoch etwas anderes:

20 Ewa Hess

Andere werteten die anonymisierte Autorschaft durchaus positiv und machten Regina Pfister zu ihrer Identifikationsfigur. So erklärt Valerie Thurner, eine Kunstvermittlerin, die selbst für die Manifesta arbeitet:

21 Valerie Thurner

Thurners Widerspruch, gleichzeitig Teil und Kritikerin der Manifesta zu sein, weiss die Manifesta schliesslich für sich zu nutzen und macht das Ganze auf ihrer offiziellen Website unter einem «catchy» Titel publik:

22 Valerie Thurner

Keine Frage, über die Verwendung von Pseudonymen lässt sich streiten. Die Spike zumindest lancierte erst kürzlich das dezidiert anonyme Art Leak 3000 Forum.

23 Spike

Das jedenfalls ermutigt uns darin, Regina Pfister bei Gelegenheit wieder einmal um einen Beitrag zu bitten.