Einige Antworten
Ellinor Landmann vom Radio DRS 2 sprach die angestossene Diskussion zu den Arbeitsbedingungen auf der Pressekonferenz zum Manifesta-Auftakt an. Die Antwort vom Podium war erneut eine Schlagzeile wert. So schreibt Anne Katrin Fessler in Der Standard:
Neben den Moneyfesta-Noten flatterte auch Regina Pfisters Text durch die offizielle Manifesta-Eröffnungsfeier an der Universität Zürich. Uns Unbekannte haben den Artikel zum Flugblatt gemacht und auf der Feier ausgelegt.
Während sich die Zürcher Stadtpräsidentin Corinne Mauch auf der Pressekonferenz jeder Stellungnahme zum Thema enthielt, hatten sich die Pressestellen von Stadt und Manifesta bereits auf einen klangvollen Wortlaut geeinigt, den unter anderen die WOZ zitiert:
Einige Zahlen
«I was not involved in all the hiring-firing-process here», stellte Christian Jankowski seinerseits auf der besagten Pressekonferenz klar. Dennoch wollte er die Kritik, ein monatlicher Bruttolohn von 3700 Franken für die vollbeschäftigten Manifesta-Mitarbeiter/innen sei zu niedrig, mildern. Deshalb erklärte er, das entspreche etwa seinem Professorengehalt an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste.
Nur: Zürich ist nicht Stuttgart; und 3700 CHF brutto gelten in Zürich – wo ein Döner Kebab umgerechnet 8 Euro, eine Dreizimmerwohnung 2300–2800 Euro (kalt) und die Krankenkassenprämie rund 350 Euro im Monat kosten – nicht ganz ohne Grund als prekär.
Sarah Alberti vom Freitag hat noch ein paar Zahlen mehr:
Der Tsüri-Blog hat gründlich recherchiert und wundert sich über einer ganze Reihe von Merkwürdigkeiten: Zunächst ging durch den Mailverteiler der Zürcher Hochschule der Künste ein Aufruf, kostenlose Schlafplätze für Manifesta-Helfer/innen zu organisieren – wofür zwei Ein-Tages-Tickets als Belohnung geboten wurden. Schon attraktiver sah das Angebot aus, die Scheisse für Mike Bouchets Werk für einen Tagessatz von 150 bis 200 Euro zu schaufeln; jedoch:
Und weiter:
Dass die Manifesta nicht budgetieren könne, ist ihr allerdings kaum vorzuwerfen. Im Gegenteil, in der Vergangenheit hat sie sich durchaus als geschäftstüchtig erwiesen. Gerade das hat auch den Zürcher Stadtrat überzeugt, wie in dessen Protokoll vom 30. Januar 2016 auf Seite 8 zu lesen ist:
Die von der Manifesta veranstaltete Rückschau Reflections – 10 Perspektiven zu 75 Tagen Manifesta 11 konnte inmitten eines Hagels von Kritik zumindest ein Fragezeichen ausräumen, berichtet die Limmattaler Zeitung:
Die Arbeit des Künstler-Kurators
Was Christian Jankowski als Künstler-Kopf und Kurator der Biennale angeht, so scheiden sich die Geister. Die Zeitschrift Kunstforum International widmet dem Phänomen Künstler-Kurator kurzerhand eine ganze Ausgabe. Eindeutig voller Lob ist Kolja Reichert in der Frankfurter Allgemeine:
Anders sieht es Jörg Scheller in der Zeit:
Zusammenarbeit als Wert
Unterschiedlich bewertet wurden auch die von Jankowski initiierten Joint Ventures, also die Kollaborationen zwischen Künstler/innen und Personen aus anderen Berufsfeldern (die ihre Fachkenntnisse und ihre Zeit wiederum unentgeltlich zur Verfügung stellten).
Till Brieglebs Urteil in der Süddeutschen Zeitung fällt insgesamt negativ aus:
Der Künstler Mike Bouchet, der mit dem Klärwerk zusammenarbeitete, äussert sich im Interview mit Monopol hingegen begeistert:
Daniela Janser von der WOZ hat sich die Dokumentationsvideos der Joint Ventures angesehen und stellt die Auswahl der Kollaborationspartner/innen infrage (trotz des Klärwerks):
Wenig versöhnt mit künstlerischen Klärschlamm-Arbeiten schrieb uns ausserdem ein Techniker, der an Aufbauarbeiten der Manifesta beteiligt war und anonym bleiben möchte:
Arbeitswelt Kunstbetrieb
An der diesjährigen Diplomfeier der Zürcher Hochschule der Künste montierten Studierende ein Banner an der Hausfassade und verteilten vor dem Haupteingang Flugblätter. Stein des Anstosses war die zunehmend marklogische Rhetorik, mit der die Hochschulleitung laufende Umstrukturierungen unterlegt und rechtfertigt. Das Flugblatt verweist unter anderem auf Regina Pfisters Artikel und thematisiert den strukturellen Rückhalt von Arbeitsbedingungen, wie sie auch (aber nicht nur) auf der Manifesta vorherrschen:
Als Reaktion auf Regina Pfisters Artikel erhielten wir etliche persönliche Mails, die ihrerseits von Erfahrungen im Kunstbetrieb berichteten. Eine ausgebildete Kunsthistorikerin erzählte uns beispielsweise von ihrem unterbezahlten Volontariat an einer namhaften Schweizer Kunstinstitution. Sie resümiert, sie sei
Auch Sarah Alberti vom Freitag vermisst eine gewisse Konsequenz:
Die Historikerin Brigitta Bernet zeigt sich auf der Onlineplattform Geschichte der Gegenwart irritiert über Jankowskis Künstlerbild (– nämlich eben jenem, das Luc Boltanski und Éve Chiapello zufolge den gegenwärtigen Geist des Kapitalismus befeuert):
Wie reibungslos die neoliberale Vereinnahmung alternativer Kreativität funktioniert, zeigte sich auch dort, wo der Verein Zitrone Gratis-Schlafplätze für weniger zahlungskräftige Zürich-Besucher/innen organisiert – und die Manifesta dies im Rahmen ihres Parallel-Programms als «Happening» vermarktet, während einige Manifesta-Volunteers selbst auf solche Gratis-Unterkünfte angewiesen sind.
Auf dem Kunst-Blog des Zürcher Tages-Anzeiger hat Ewa Hess noch einen weiteren Vorschlag, den die Manifesta – wäre sie so richtig neoliberal gewieft – eigentlich hätte aufnehmen müssen.
Anonyme Kritik
Wichtiger als das Fragen nach Kunst und Bezahlung findet Hess jedoch etwas anderes:
Andere werteten die anonymisierte Autorschaft durchaus positiv und machten Regina Pfister zu ihrer Identifikationsfigur. So erklärt Valerie Thurner, eine Kunstvermittlerin, die selbst für die Manifesta arbeitet:
Thurners Widerspruch, gleichzeitig Teil und Kritikerin der Manifesta zu sein, weiss die Manifesta schliesslich für sich zu nutzen und macht das Ganze auf ihrer offiziellen Website unter einem «catchy» Titel publik:
Keine Frage, über die Verwendung von Pseudonymen lässt sich streiten. Die Spike zumindest lancierte erst kürzlich das dezidiert anonyme Art Leak 3000 Forum.
Das jedenfalls ermutigt uns darin, Regina Pfister bei Gelegenheit wieder einmal um einen Beitrag zu bitten.