Stattdessen, und auch dieses ist merkwürdig, hat man sich schnell darauf geeinigt, dass Frieze d/e in erster Linie aus «strategischen Gründen» eingestellt worden ist, sei man doch mit dem zweisprachigen – deutsch/englisch – Format des Magazins und seinem geografischen Schwerpunkt «deutschsprachiger Raum» an die Grenzen gekommen. «Die Verbreitung und Relevanz» (Dittmer) der Artikel nämlich sei nicht mehr «international» genug gewesen. War Frieze d/e gegen diese vermeintliche «Regionalität» nicht allein durch die englische Sprache gefeit?! Und ist diese hier formulierte strikte, arg undialektische Trennung von regional und international in einer globalen Welt nicht längst hinfällig geworden, zumal in der Kunstwelt und in der Kunstmetropole Berlin, in der Frieze d/e erschienen ist?! Offensichtlich drückt man sich hier vor einer tatsächlichen Analyse des Problems von Frieze d/e.
Entscheidender nämlich ist, was durch die Auslassung der Frage nach den möglichen wirtschaftlichen Ursachen für die Einstellung eben nicht gefragt wurde: Fand Frieze d/e zu wenig Zuspruch beim Publikum? Wurde es, wie wohl schon das Kunstmagazin Monopol, das vor wenigen Monaten angeblich auf Geschenkbasis seinen Besitzer gewechselt hat, schlicht zu selten gekauft? Und: Gab es in der Konsequenz daraus dann zu wenig Anzeigenkunden? Auffällig wenig Anzeigen jedenfalls sind in der letzten Ausgabe von Frieze d/e zu finden – und in der Szene munkelt man von Verlusten in Höhe von 150 000 Euro. Wenn dem so ist, dann könnte dies durchaus inhaltliche Gründe gehabt haben. Denn vielleicht hat die Leser/innen das Heft schlicht nicht mehr interessiert.
Um letzter Einschätzung nachzugehen sei also kurz ein Blick in die letzte Ausgabe von Frieze d/e geworfen. Aufmacher ist ein 32 Seiten langes ‹Dossier› zu dem Kölner Künstler Kai Althoff. Warum aber wird Althoff, der vor allem in 1990er-Jahren wichtig war, jetzt so prominent präsentiert? Welcher der im Brand-New-Life-Interview mehrfach angesprochenen, aber nie konkret benannten «Diskurse» wird hiermit bedient? Die Frage bleibt offen, denn der Grund für den Artikel ist vielmehr, dieses erklärtermassen, Althoffs Retrospektive im MoMA in New York – eine rein den Kunstbetrieb begleitende Massnahme also. Dann gibt es ein Gespräch zur Diskussion um die Berufung Chris Dercons an die Berliner Volksbühne, ein Thema, das derzeit ausgiebigst nicht nur in Berlin im ‹Blätterwald› diskutiert wird. Vergleichbar austauschbar ist ein arg indifferenter Essay zum Thema ‹Kunst und Flüchtlinge›, ein Thema, das derzeit in jedem (bürgerlichen) Feuilleton, das etwas auf sich hält, behandelt wird. Dazu kommen drei weitere Künstlerporträts. Auch bei diesen handelt es sich um eine wohlwollende Begleitung des aktuellen Kunstbetriebes und dessen Protagonisten. Apropos wohlwollend: Auch die Kritiken in diesem Heft, und dieses war in den Ausgaben zuvor nicht anders, stellen den Betrieb eben nicht kritisch infrage, sondern feiern ihn mehr oder weniger reflektiert ab. So fallen von 15 ‹Reviews› nur 2 negativ aus, und bei diesen beiden handelt es sich um solche, welche die von der Kritik eh arg gebeutelten Ausstellungen der 9. Berlin Biennale und der Manifesta 11 noch einmal verreissen. Ansonsten: 13 Besprechungen von Ausstellungen, gut geschrieben sicherlich, aber allesamt vor allem einverstanden mit dem zu Kritisierenden. Last but not least: Einen dezidiert theoretischen Text, der die «Kunst und ihre Diskurse» (Dittmer) beleuchtet, sucht man in diesem Heft wieder einmal vergeblich.
«De te fabula narratur», hiess es bei Horaz, «deine Geschichte wird erzählt» - aber sind all diese kurz skizzierten Artikel wirklich meine Geschichten? Geschichten also, die Kunst und Kultur mit meinem alltäglichen Leben in der neoliberal-globalisierten Gesellschaft in Spannung setzen? Oder handelt es sich da nicht vielmehr um ein ‹business as usual›, kaum zu unterscheiden von Publikationen ähnlicher Natur, das die zunehmend zur überteuerten Spekulationsware verkommende Gegenwartskunst mit dem Mehrwert einer vermeintlichen Reflexion aufwertet und legitimiert?! Legitimiert, da an keiner Stelle des Heftes die Kunst und ihre Verflechtungen mit Macht und Geld wirklich kritisch herausgefordert wird. Stattdessen wird in erster Linie Kunst diskutiert, die sich «ARTig» innerhalb dieser Strukturen verortet. Genau die Verflechtungen von Kunst und Macht aber stösst, so meine These hier, heute mehr und mehr Menschen auf, zumindest Leser/innen von ambitionierten Kunstmagazinen, die von diesen eine spannende Auseinandersetzung mit den Optionen von Kunst erwarten. Und diese Optionen sind nun mal seit der Avantgardekunst des 20. Jahrhunderts nicht zuletzt solche, die Alternativen zur real-existierenden Macht aufzeigen. Selbst der renommierte Londoner Museumsdirektor Martin Roth, der bestimmt alles andere ist als ein Aktivist, hat dann auch jüngst in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin Spiegel (Ausgabe 37/2016) gesagt: «Deshalb ärgert mich die Gegenwartskunst, weil die oft belangloser Schnickschnack ist, […], wir brauchen mehr denn je so etwas wie Widerständigkeit.» In der Frieze d/e dagegen bleibt widerständige, politische Kunst so gut wie unsichtbar, der eine arg brave Artikel über ‹Flüchtlingskunst›, der nur wenig länger ist als die Saint-Laurent-Anzeige im selben Heft, täuscht darüber nicht hinweg.
Zurück zum Interview: Überaus konform mit der Globalisierung und ihrer Form der ‹Internationalität› gibt sich Frieze übrigens ab jetzt in seinem Umgang mit Sprache. Denn Mareike Dittmer bekennt ehrlich, dass sich Frieze nach dem Einstellen von Frieze d/e «zu Englisch als Lingua franca in der zeitgenössischen Kunstwelt bekennt». Hatte Frieze d/e dank seiner deutschsprachigen Texte noch versucht, dieser im globalisierten Kunstbetrieb üblichen Gleichschaltung hin auf das Englische etwas entgegenzusetzen, so will sich das Magazin jetzt also stromlinienförmig in «einen internationalen Diskurs» – gibt es tatsächlich nur den einen Diskurs? – einschreiben, statt «grundsätzlich regional» (Dittmer) zu agieren. Doch nicht nur die deutsche Sprache wird von Dittmer hinterfragt, sondern gleich die deutschsprachigen Autor/innen mit. Auf die Frage nach den Schwierigkeiten, deutschsprachige Autor/innen zu finden – woher weiss Barbara Preisig dieses eigentlich? –, widerspricht dann Dittmer nicht, sondern versucht vielmehr sie auch noch zu erklären: Dieses liege an der besseren «angelsächsischen Ausbildung», die mehr Wert lege auf unterhaltsame Analyse, statt, wie die vermeintliche deutsche Denke, auf reine Faktizität. Das ist so arrogant wie infam: Nicht eigene konzeptionelle Fehler werden von der Co-Editorin eingeräumt, sondern beleidigend eine Schwäche der Autor/innen konstatiert.
Selbstkritik nach dem Aus eines Zeitschriftenprojektes sieht anders aus, aber genau die wäre jetzt gefragt. Kurz und zugespitzt formuliert: Die Frage nach der Notwendigkeit von Kunstmagazinen muss in Zeiten wie diesen gestellt werden, denn ein blosses systemkonformes Begleiten des Kunstbetriebes ist angesichts von Flüchtlingskrise, neoliberaler Globalisierung, erneut aufflammendem Rassismus und Klimakatastrophen ein eitles Spiel, das offensichtlich immer weniger Kunstinteressierte zum Kauf eines Magazins bewegt. Unterbleibt diese selbstkritische Befragung, dann wird, so befürchte ich, das Ende von Frieze d/e kein Einzelfall in der Kunstzeitschriftenlandschaft bleiben.