Barbara Preisig: 2011 wurde Frieze d/e lanciert mit dem Ziel, den deutschsprachigen Kunstbetrieb stärker zu berücksichtigen, als dies bisher mit der internationalen Ausgabe von Frieze möglich war. Nun wird Frieze d/e eingestellt. Was sind die Gründe?
Mareike Dittmer: Frieze d/e wird als eigenständiges Magazin eingestellt, aber wir werden die dort bisher veröffentlichten Inhalte und Themen in die Seiten von Frieze bringen. Das ist kein Widerspruch zu der Tatsache, dass wir sehr stolz sind auf die vielen herausragenden Texte, die in den vergangenen 5 Jahren in Frieze d/e erschienen sind, eher im Gegenteil. Es ist uns allerdings heute eher noch stärker als vor 5 Jahren klar, dass Kunst und ihre Diskurse zunehmend auf eine global vernetzte Welt Bezug nehmen und wir, wie auch unsere Autor/innen, sind immer öfter an die Grenzen des regionalen Schwerpunkts von Frieze d/e gestossen. Daher der Schritt, die spezifischen d/e-Inhalte mit der grösseren, globalen Leserschaft in Frieze und auf Frieze.com zu teilen.
Preisig: Worin zeigten sich diese «Grenzen des regionalen Schwerpunkts»?
Dittmer: Darin, dass es immer wieder Texte gab, die wir (und die Autor/innen) auch gut, wenn nicht sogar besser, in der internationalen Ausgabe gesehen hätten, die im Diskurs von Frieze fehlten und die in der selbstauferlegten Beschränkung auf den deutschsprachigen Raum einfach nicht die Verbreitung und Relevanz bekamen, die wir uns international gewünscht hätten.
Preisig: Frieze betreibt heute neben dem Magazin auch Kunstmessen in London und New York. Steht die Einstellung von Frieze d/e in Zusammenhang mit einer strategischen Neuausrichtung von Frieze (Kunstmesse und Magazin)? War Frieze d/e überhaupt auf Langfristigkeit angelegt?
Dittmer: Frieze hatte immer schon einen explizit internationalen Anspruch, und in diesem Kontext war Frieze d/e natürlich ein Experiment, aber die langfristige Perspektive war von Anfang an da – beginnend mit dem Berliner Büro, das es schon seit 2001 gibt –, und tatsächlich ist es diese langfristige Perspektive, vor der wir jetzt die Entscheidung gefällt haben, unsere internationalen, nationalen und regionalen Inhalte zusammen in ein Medium zu bringen.
Preisig: Mit der Nov/Dez-Ausgabe wird Frieze ihre Ausstellungsbesprechungen für den deutschsprachigen Raum verdoppeln. Wie wird Frieze durch die Reintegration von Frieze d/e noch verändert? Was geht verloren?
Dittmer: Mit der Verdopplung der Reviews aus dem deutschsprachigen Raum wird die Präsenz der Region in den Seiten von Frieze vergleichbar stark wie bisher die der Vereinigten Staaten oder Grossbritanniens. Zusätzlich wird es auch mehr Features und Kolumnen geben, wir werden Namen und Themen aus der Region und darüber hinausgehend diskutieren und analysieren und damit unsere Anwesenheit in und das Bekenntnis zum Kontinent betonen und stärken. Und während wir auf diesem Weg tatsächlich die deutsche Sprache verlieren, hoffen wir doch, dass der Gewinn der damit verbundenen Internationalität diesen Verlust aufwiegt.
Preisig: Mit der Einstellung des deutschsprachigen Magazins unterstützt Frieze die Dominanz der englischen Sprache im Kunstbetrieb. War es aber nicht gerade der Anspruch von Frieze d/e, dieser Tendenz entgegenzuwirken und in der Mehrsprachigkeit eine lokale Anbindung zu suchen? Inwiefern ist Frieze d/e an diesem Anspruch gescheitert?
Dittmer: Wir werden neue und vertraute Stimmen aus der Region in Übersetzung in Frieze und auf Frieze.com bringen – etwas, was wir bisher nur selten getan haben –, was den Klang und die Referenzsysteme des Diskurses verändern wird, sich dabei tatsächlich zu Englisch als der Lingua franca in der zeitgenössischen Kunstwelt bekennt.
Preisig: Was sagt diese Umstrukturierung über die aktuelle Lage der Kunstkritik im deutschsprachigen Raum aus? Ist dieser Sprachraum bereits gut abgedeckt mit Kunstzeitschriften?
Dittmer: Ich bin mir nicht sicher, ob sich daraus eine generelle These ableiten lässt. Wenn man anerkennt, dass der Status quo der Kunstkritik im deutschsprachigen Raum zutiefst eingebettet ist in einen internationalen Diskurs, dann denke ich vor diesem Hintergrund nicht, dass es bei dieser Entscheidung um so etwas wie ‹Marktsättigung› geht, sondern vielmehr um die Entscheidung, grundsätzlich regional oder wahrhaft international zu agieren. Frieze d/e war schon in der Anlage – mit der Zweisprachigkeit, der internationalen Belegschaft und denselbigen Netzwerken – nicht darauf ausgelegt, sich zu beschränken.
Preisig: Das Redaktionsteam von Frieze d/e hatte immer wieder Mühe, gute deutschsprachige Autor/innen zu finden. Woran liegt das?
Dittmer: Ich erkläre mir das zumindest teilweise daraus, dass die angelsächsische höhere Ausbildung mehr Wert legt auf eine bestimmte Form von unterhaltsamer Analyse, die Jargon vermeidet. Das berühmte Essay Writing, aber auch die Debattierklubs stehen in dieser Tradition, während im deutschsprachigen Raum zumeist reine Faktizität zählt, während Klang und Stil nicht unbedingt Kategorien sind, die an wissenschaftliches Schreiben angelegt werden.
Preisig: (Wie) ändert sich die Zielgruppe mit der Beschränkung auf die englische Sprache in der Berichterstattung?
Dittmer: Ich hoffe, dass wir keine/n unserer Leser/innen verlieren! Wir wünschen uns, dass die Mehrzahl unserer bisherigen Leserschaft die Herausforderung annimmt, unsere Berichte auch auf Englisch zu verfolgen.
Preisig: Was machst du und die anderen aus dem Frieze-d/e-Team nach der letzten Ausgabe? Bleibt das Berliner Büro erhalten?
Dittmer: Das Berliner Frieze-Büro bleibt erhalten. Von hier aus werden wir auch weiterhin den Ausbau unserer lokalen und regionalen Netzwerke betreiben, um Themen aus der Region und darüber hinaus in Frieze und auf Frieze.com zu setzen. Letzteres wird auch eine meiner zentralen Aufgaben als Associate Publisher von Frieze sein. Pablo Larios wird der neue Associate Editor und Jörg Heiser wird Editor at Large, Christy Lange bleibt in der Doppelrolle als Curator of Public Programming & Associate Editor. Und wir hoffen, dass wir viele der vertrauten Stimmen von freien Autor/innen aus Frieze d/e von nun an vermehrt in Frieze hören können – stay tuned.