IKEA-Trainee-Programm an der Zürcher Hochschule der Künste

Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) bietet in Zusammenarbeit mit IKEA ein neues Weiterbildungsprogramm in Interior Design an. Ist dies die Vollendung der Kreativwirtschaft? Die totale Symbiose aus Kultur, Innovation und unternehmerischem Geist? Nein. Die IKEA-Weiterbildung markiert das genaue Gegenteil, den Anfang vom Ende des Kreativwirtschafts-Arguments.
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Screenshot WebseiteInterior Design Development Programme, Webseite, 2018

Neun Plätze sind zu besetzen in der ersten Ausschreibung der gemeinsam von IKEA und der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) entwickelten Weiterbildung Interior Design Development Programme. Dies vorab: Der Kurs ist eine auf den schwedischen Konzern zugeschnittenes Programm. In diesem einjährigen Crashkurs werden Design-Absolvent/innen, Quereinsteiger/innen und sonstige Kreative zu IKEA Einrichtungsberater/innen ausgebildet. IKEAs Ziel ist, mit diesen Absolvent/innen einen neuen Dienstleistungszweig aufzubauen: Kund/innen sollen in Zukunft nicht mehr nur einzelne Möbelstücke, sondern vermehrt auch ganze Inneneinrichtungen mit entsprechender Beratung kaufen.

An Kunsthochschulen sind Kooperationen mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), öffentlichen Trägerschaften und auch transnationalen Konzernen üblich. In den Bachelor- und auch in Masterlehrgängen ermöglichen Praktika, Workshops und andere Formate, die in Kooperation mit privaten Unternehmen durchgeführt werden, Erfahrungen in konkreten Praxisfeldern. Auch die Forschung an den Kunsthochschulen ist stark geprägt von privatwirtschaftlichen Ansprüchen. Werden doch die meisten Forschungsprojekte (insbesondere im Design-Bereich) mit Partnern aus der Privatwirtschaft durchgeführt. Ausschlaggebend hierbei ist, dass solche Kooperationen mit privaten Unternehmen in einem klar definierten Rahmen stattfinden. Das Fachwissen und die Fachkompetenz werden von der Kunsthochschule bereitgestellt, und die Firma bietet lediglich ein Fallbeispiel beziehungsweise einen möglichen konkreten Anwendungskontext, an dem die fachliche Expertise getestet und weiterentwickelt wird.

Die ZHdK geht mit dieser Weiterbildung nun einen entscheidenden Schritt weiter und schafft einen Präzedenzfall: Die in diesem Ausbildungsgang vermittelten Inhalte sind explizit und direkt auf die Ansprüche des IKEA-Konzerns zugeschnitten. Nach einer theoretischen Vermittlung von Design-Grundlagen an der ZHdK werden die Studierenden in einem sechsmonatigen Praktikum in einem der IKEA-Einrichtungshäuser in die Konzern-Logik eingearbeitet. Die Teilnehmer/innen lernen das IKEA-Konzept kennen, und ihnen wird die Unternehmenskultur vermittelt. Auch die praktischen firmeninternen Abläufe stehen auf dem Lehrplan. Angeboten wird hier nichts anderes als ein IKEA-Trainee-Programm. Neu daran ist nur, dass dieses nicht vom Unternehmen selbst durchgeführt, sondern eben von einer Kunsthochschule ausgeschrieben, beworben und mitgetragen wird. Die ZHdK bürgt mit ihrem Namen für die fachliche Qualität und Seriosität der Weiterbildung und verpasst dem Ganzen ein Gütesiegel.

Plakat an ZHdKZürcher Hochschule der Künste, Juni 2018

IKEA bekommt mit dieser Weiterbildung eine relativ kostengünstige Schulung samt Infrastruktur, kann über die Kunsthochschule gezielt junge ambitionierte Leute ansprechen, ihr Image als Billigmöbelgeschäft aufwerten und mit den beteiligten Dozierenden Fachkompetenzen einfach einbinden. Die Weiterbildung ist zugleich auch ein Assessment: Sozialkompetenz, kommunikative Eigenschaften und das persönliche Engagement der Teilnehmer/innen können im Laufe des Jahres nachhaltig beurteilt werden. Für den Konzern lohnt sich die Investition in diese neun Studienplätze also mehrfach. Für die Studierenden ist dieses Programm zwar kostenfrei, sie verpflichten sich aber nach Abschluss der Weiterbildung, mindestens zwei Jahre für IKEA zu arbeiten. Wenn sie dies nicht tun, müssen sie die Weiterbildungskosten an den Konzern zurückerstatten.

Mit dieser IKEA-Weiterbildung scheint der Traum der Kreativwirtschaft-Fürsprecher/innen endlich in Erfüllung zu gehen. Kultur und Privatwirtschaft ziehen an einem Strang. Die Kultur hat ihre ökonomische Bedeutung bewiesen und wird jetzt auch von international agierenden Konzernen entsprechend anerkannt. Sie investieren in die Kultur, sehen in ihr Möglichkeiten, das eigene Portfolio weiter zu entwickeln und neue Kundensegmente zu erschliessen, und sind deshalb sogar bereit, Ausbildungsgänge an Kunsthochschulen zu finanzieren. Mit dem gesicherten Arbeitsplatz nach der Weiterbildung scheint schliesslich auch die geforderte Arbeitsmarkttauglichkeit der Absolvent/innen entsprechend bestätigt.[1] Michael Krohn, Leiter des Masterstudiengangs Design und Verantwortlicher an der ZHdK für das IKEA-Programm, feiert folgerichtig auch schon den Modellcharakter dieser Weiterbildung und prophezeit, dies sei erst der Anfang.[2]

Was hierbei allerdings unterschlagen wird, ist die einstige Hoffnung, die an die Kreativwirtschaft geknüpft war und die bis heute diese Diskussion noch immer prägt: Dass nämlich der kulturelle Sektor zu unterwarteten, neuen Verwertungsketten führt, dort «alternative Geschäftsmodelle» entwickelt werden und diese Kreativwirtschaftler/innen, idealtypisch Einzel- oder Kleinstunternehmer/innen, in «neuartigen Formen der Arbeitsgestaltung»[3] (Stichworte dazu sind Sharing-Strategien, kollaborative Verfahren und Crowd-Intelligenz) gewissermassen zu Leitfiguren einer prosperierenden postindustriellen Zukunft werden.[4]

Die Vorstellung, dass Kultur zu einer Triebfeder ökonomischer und gesellschaftlicher Innovation schlechthin wird, ist mit dieser IKEA-Weiterbildung vollends zu einer leeren Floskel geworden. IKEA wendet sich nicht an die ZHdK, weil sie ihre Arbeitsabläufe und internen Prozesse mithilfe von neuen kreativen Köpfen überdenken möchte. Der Konzern will weder seine Entwicklungsabteilung zugunsten von dezentralen, flexiblen Kreativ-Einheiten auflösen noch sein «funktionale schöne Möbel für einen günstigen Preis»-Konzept radikalisieren und zum Beispiel in Zukunft Workshops anbieten, in denen seine Kund/innen aus einfachen Materialen eigene Do-it-yourself Möbel bauen können. Die Kunsthochschule dient lediglich der Personal-Rekrutierung. Die Ideen, Konzepte und Strategien aus Kunst und Design sind hierbei nicht von Interesse. Die IKEA-Weiterbildung macht allzu deutlich, dass es für die Kunsthochschulen an der Zeit ist, um über andere Formen von Praxisbezug nachzudenken, und dass das Kreativwirtschaft-Argument ausgedient hat. Ein solcher, anderer Praxisbezug könnte jenseits von rein privatwirtschaftlichen Dienstbarmachung liegen, und Kunst und Design auffordern, auf aktuelle gesellschaftliche Fragen, wie Klimawandel, Leben mit wenig Geld, städtische Verdichtung konkrete, innovative Antworten zu liefern. Fortsetzung folgt.

 

 

[1] Die von Christoph Weckerle für die Schweiz mitherausgegebenen Kreativwirtschaftsberichte möchten zum einen die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft nachweisen. Gleichzeitig belegen sie auch konkrete Berufsperspektiven und Arbeitsfelder für Absolvent/innen von Kunsthochschulen. Siehe dazu zum Beispiel: Das Umsatz- und Beschäftigungspotential des kulturellen Sektors. Erster Kulturwirtschaftsbericht Schweiz, hrsg. von der Hochschule für Gestaltung und Kunst, Zürich 2003.
[2] «IKEA lässt seine Verkäufer an Zürcher Hochschule ausbilden», in: DR2 2 Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 27. April 2017, https://www.srf.ch/sendungen/regionaljournal-zuerich-schaffhausen/ikea-laesst-seine-verkaeufer-an-zuercher-hochschule-ausbilden.
[3] Thomas D. Meier und Christoph Weckerle, «Kreative Klasse. Kunsthochschulen bilden zukunftsfähige Kreative aus – kein künftiges Proletariat», in: Tagesanzeiger, 1. Juli 2016, https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Kreative-Klasse/story/28166770.
[4] Siehe dazu: Charles Leadbeater, Living on Thin Air. The New Economy, London 1999.